Darmstadt (epd). Das Landgericht Darmstadt hat am Freitag einen 17-jährigen afghanischen Flüchtling wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der im Sommer 2015 über die Balkanroute nach Deutschland gekommene junge Mann habe seine Freundin, die marokkanischer Herkunft ist, am 22. Dezember vergangenen Jahres in Darmstadt mit 17 Messerstichen in Rücken, Hals und Brust niedergestochen, sagte der Vorsitzende Richter Marc Euler. Ihr Leben habe nur durch eine Notoperation gerettet werden können.
Tatmotiv sei gewesen, dass der junge Mann nicht damit zurechtgekommen sei, dass die etwa gleichaltrige Freundin zuvor die Beziehung beendet habe, erläuterte Euler. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre und sechs Monate Jugendhaft gefordert, die Nebenklage die Höchststrafe von zehn Jahren. Die Verteidigung plädierte auf vier Jahre Haft.
Euler bezeichnete die Tat in seiner Urteilsbegründung als "äußerst brutal". Der junge Afghane habe sich im Dezember 2017 noch einmal mit seiner bisherigen Freundin treffen wollen, um ein letztes Gespräch zu führen. Dieses Gespräch habe dann auch in einer abgelegenen Straße stattgefunden.
Opfer leidet noch heute
Da die junge Frau allerdings auf das Ende der Beziehung beharrt habe, habe der Zurückgewiesene um eine letzte Umarmung gebeten. Währenddessen habe er unbemerkt ein Springmesser aus der Tasche gezogen und ihr damit die 17 Stiche beigebracht. Dabei seien unter anderem beide Lungenflügel verletzt worden. Schließlich habe er seinem am Boden liegenden Opfer mit voller Tötungsabsicht einen tiefen Stich in die Brust versetzt, der nur einen Zentimeter vom Herzen geendet habe. Dann habe er sie mit der Füßen getreten. Sie habe großes Glück gehabt, dass Passanten in der Nähe gewesen seien, die den Notarzt verständigten.
Das Opfer leide noch heute schwer an den körperlichen und seelischen Wunden, sagte der Vorsitzende Richter weiter. Die junge Frau habe noch immer große Schmerzen beim Atmen, traue sich kaum auf die Straße und sei in psychotherapeutischer Behandlung. Als strafmildernd bewertete die Jugendkammer nach Eulers Worten, dass der junge Afghane die Tat noch am Abend bei der Polizei gestanden hat, nicht vorbestraft war und "spontan" handelte. Außerdem habe er 1,5 Promille Alkohol im Blut gehabt und sei dadurch "enthemmt, aber steuerungsfähig" gewesen. Wegen der Schwere der Tat werde er mit seiner Abschiebung rechnen müssen.
Täter galt als "Sonnyboy"
Die beiden Jugendlichen hatten sich nach den Angaben des Gerichts im Herbst 2015 in einer sogenannten Intensivklasse kennengelernt, die Geschädigte war sogenannte Sprachpatin des jungen Afghanen. Der junge Mann sei bei seinen Lehrern und Betreuern sehr beliebt gewesen, er habe mit großem Fleiß seinen Hauptschulabschluss angestrebt, sagte Euler. "Er hat sogar Nachhilfekurse und einen Trommelkurs belegt und galt bei Lehrern und Betreuern als Sonnyboy."
Leider habe er auch eine dunkle Seite gehabt. Um seiner Freundin seine unverbrüchliche Liebe zu beweisen, habe er sich im Sommer 2016 ihren Namen mit einem Messer in die Brust geritzt, davon Selfies gemacht und ihr zugemailt. Weitere Bilder von Messerverletzungen sowie viele Streitigkeiten hätten das Mädchen schließlich dazu gebracht, die Beziehung zu dem jungen Mann zu beenden.