Brüssel/Straßburg (epd). Mit den Plänen zur Todesstrafe riskiert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Rauswurf seines Landes aus dem Europarat. "Wenn die Türkei die Todesstrafe einführen und praktizieren würde, wäre das das Aus für die Mitgliedschaft", sagte der Sprecher von Europarats-Generalsekretär Thorbjørn Jagland, Daniel Höltgen, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch Bundestagsabgeordnete von CDU und SPD, die der Parlamentarischen Versammlung des Europarats angehören, drohten mit einem Rauswurf.
Todesstrafe wird nicht praktiziert
Die Todesstrafe wird in keinem der 47 Staaten der paneuropäischen Organisation praktiziert. Weißrussland wird wegen der Todesstrafe eine Mitgliedschaft verwehrt. "Wir haben immer gesagt: Weißrussland muss mindestens ein Moratorium einführen, damit es Mitglied werden kann", sagte Höltgen dem epd. Russland dagegen ist trotz auf dem Papier bestehender Todesstrafe Mitglied. Dort wurde mit dem Beitritt zum Europarat 1996 ein Moratorium eingeführt.
Die Türkei hat neben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist, auch deren Zusatzprotokolle sechs und 13 über die Abschaffung der Todesstrafe ratifiziert. Ein Ausschluss der Türkei wäre Höltgen zufolge allerdings eher eine politische als rechtliche Angelegenheit. Der Europarat könne mit Zweidrittelmehrheit ein einzelnes Mitgliedsland ausschließen. Dies würde das Ministerkomitee beschließen, in dem die Außenminister der Mitgliedsländer zusammenkommen.
Votum zum Auschluss eines Mitgliedlandes
Aufgefordert werden könnte das Ministerkomitee zu einem solchen Votum durch die Parlamentarische Versammlung des Europarats. Deutschland entsendet dorthin Mitglieder des Bundestages. Zwei von ihnen warnten am Dienstag die Türkei. "Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, müssen wir ihre Mitgliedschaft im Europarat umgehend beenden. In diesem Fall hat sie im Europarat nichts mehr zu suchen", sagte Axel Fischer (CDU) der "Welt" (online).
Sein SPD-Kollege Frank Schwabe sagte der Zeitung: "Die Einführung der Todesstrafe wäre nicht nur das Aus für den EU-Beitrittsprozess, sondern auch das Ende der Mitgliedschaft im Europarat." Bereits kommende Woche werde der Europarat die Türkei wieder in das sogenannte verschärfte Monitoring-Verfahren aufnehmen. "Ein einmaliger Schritt in dieser alten europäischen Institution. Eine solche Rückverweisung ist noch keinem der 47 Mitgliedstaaten passiert."
"Ein Rückschritt für die Türkei und für Europa"
In der Türkei wird bereits seit dem gescheiterten Putschversuch vom Sommer 2016 über eine Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert. Nach seinem Sieg beim Verfassungsreferendum vom Sonntag hat Präsident Erdogan das Thema als Priorität bezeichnet. Bereits "jeder Schritt in Richtung Todesstrafe" durch die Türkei wäre "ein Rückschritt für die Türkei und für Europa", sagte Europaratssprecher Höltgen.
Die 1949 gegründete internationale Organisation hat ihren Sitz in Straßburg und fördert Demokratie und Menschenrechte. Sie ist nicht mit der Europäischen Union (EU) zu verwechseln, allerdings sind alle EU-Mitglieder zugleich Mitglieder des Europarats. Darüber hinaus sind fast alle anderen europäischen Staaten Mitglieder des Europarats, eine Ausnahme bildet neben Weißrussland der Vatikan.