Gottesdienst in Rumänien
Die Gemeinde lebt!
Vor 34 Jahren verließ der Großteil der Siebenbürger Sachsen fast schlagartig Rumänien in Richtung Westen. In der evangelischen Kirche vor Ort ist das Feuer dennoch nicht erloschen
Wie die Siebenbürger Sachsen in Hermannstadt Gottesdienst feiern
Stadtpfarrkirche Hermannstadt (Sibiu), Rumänien
Detlef Schneider
Christoph Boeckheler/Medienhaus der EKHN
Aktualisiert am 07.06.2024
2Min

Stadtpfarrkirche Hermannstadt (Sibiu), Rumänien, Pfingstsonntag, 10 Uhr: Über 100 Menschen sind an diesem warmen Sonntag in die Kirche gekommen. "Wir feiern den Gottesdienst zusammen mit Gästen und Freunden", begrüßt Pfarrer Kilian Dörr die Kirchgänger. Neben Gemeindemitgliedern sind ausgewanderte Siebenbürger Sachsen zu Gast, die ihre alte Heimat besuchen, Ordensschwestern aus Bayern, Touristen aus Deutschland und Israel. Auch meine Familie kam 1990 aus Siebenbürgen nach Deutschland. Für mich ist es nach vielen Jahren der erste Besuch in der Kirche, in der ich als Kind getauft wurde.

Seit dem 12. Jahrhundert ließen sich deutsche Siedler in Siebenbürgen nieder und pflegten ihre Kultur über Jahrhunderte. Nach dem Sturz der Ceausescu-Diktatur 1989 und der Öffnung der Grenzen wanderten 90 Prozent von ihnen in den Westen aus. Heute hat die evangelische Kirche in Rumänien (EKR) noch gut 10.000 Mitglieder. Die Gottesdienste finden auf Deutsch statt, manche Angebote wie die Mittagsmusik am Freitag werden auf Deutsch und Rumänisch abgehalten.

Die Liturgie des Gottesdienstes ist lutherisch-traditionell. 1550 hatte sich die EKR der Reformation angeschlossen, den Zusatz "Augsburgischen Bekenntnisses" (A. B.) trägt die Kirche in ihrem Namen. Bei jeder Bibellesung steht die Gemeinde auf, während der Gebete wendet sich der Pfarrer zum Altar und damit von der Gemeinde ab.

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Der Hermannstädter Bachchor und Brita Falch Leutert an der Orgel bereichern den Gottesdienst mit festlicher Musik. Die Sauer-Orgel der Stadtpfarrkirche ist mit 78 Registern das größte Instrument in Siebenbürgen und hat einen kraftvollen Klang. Falch Leutert beherrscht ihr Spiel; dass die Renovierung der Orgel noch nicht ganz abgeschlossen ist – zehn Register fehlen noch –, hört man nicht.

Der Predigttext für diesen Pfingstsonntag kommt aus Hesekiel 37. Es ist eine düster-schaurige Vision der Auferstehung: Ein Totenfeld voller Gebeine, alles ist verdorrt. In diese Dürre kommt der Hauch, Odem, Geist Gottes und erweckt die toten Glieder zu neuem Leben. Das zeigt, was bei Gott möglich ist. "Wir sind nicht die Letzten", bezieht Pfarrer Dörr die Situation auf Siebenbürgen und klingt zuversichtlich und überzeugt. Anfang der 1990er Jahre bestand tatsächlich die Sorge, dass die Kirche hier bald keine Mitglieder mehr hat.

Nach dem Gottesdienst duftet das Hefegebäck, die Tassen klappern, Konfirmanden schenken Kaffee aus. Unter blauem Himmel stehen viele noch zusammen und tauschen sich rege auf Deutsch aus. Die Gemeinde lebt!