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Glaubenskirche, Piesteritz, 1. Advent 2023, 14.30 Uhr: Es ist trübe und kalt an diesem winterlichen Sonntagnachmittag. Die Glaubenskirche liegt im Ortsteil Piesteritz im Westen der Lutherstadt Wittenberg. Der kleine Bau aus den frühen 1950er Jahren versteckt sich zwischen Schwimmhalle und Wohngebiet, in Sichtweite rauchende Schlote des Stickstoffwerks. Heute soll – wie immer am ersten Advent – an die Kirchweihe vor 71 Jahren erinnert werden. Die Glocken läuten, doch vor der Kirche ist niemand zu sehen. Drinnen ist es warm und hell. Etwa ein Dutzend Menschen haben sich in den Stuhlreihen niedergelassen. Sieben von ihnen sind Mitglieder des Chors. Der Altersdurchschnitt ist hoch, man geht vertraut miteinander um. Vom großen Kreuz über dem Altar aus blickt eine geschnitzte, sehr alt wirkende Jesusfigur auf das Geschehen hinab.
Der Organist schlägt die Tasten an und entlockt der kleinen Orgel unerwartet tiefe Töne. Pfarrer Hans-Jakob Schröter beginnt den Gottesdienst mit den Abkündigungen. Dann stimmen die Gemeindeglieder im Wechsel mit dem Chor das erste Lied an: "Wir sagen euch an den lieben Advent". Trotz halber Besetzung eine wohlklingende Mehrstimmigkeit.
Im Zentrum des Gottesdienstes steht Psalm 24. Mehrfach vorgetragen verklingt er in seiner altertümlichen Sprache und ohne Anbindung ans Hier und Jetzt jedoch unverstanden. Nur dass das Lied "Macht hoch die Tür", das Gemeinde und Chor nun singen, auf diesen Psalm zurückgeht, bleibt im Gedächtnis. Eine kleine Schrecksekunde, als ein älteres Chormitglied mit Krückstock beim Aufstehen fast stürzt. Doch sofort sind von allen Seiten helfende Hände da und die Gefahr ist gebannt.
Auch die Predigt dreht sich um Psalm 24 und die Frage, wo man Gott begegnen kann. Es gebe Orte, an denen Menschen sich Gott näher fühlen, erklärt Pfarrer Schröter. Die Glaubenskirche sei so ein Ort. Vor 71 Jahren sei das Bedürfnis der "Christenmenschen in Piesteritz" nach einer eigenen Kirche so groß gewesen, dass sie "mit viel Engagement" die Glaubenskirche errichteten. Von diesem Zeugnis des Glaubens profitieren die Menschen noch heute. Zum Schluss: "Tochter Zion, freue dich". Dann entlässt Pfarrer Schröter die Gemeindeglieder mit einem Segen – nein, noch nicht nach Hause, sondern zu Kaffee und Kuchen. Man spürt im herzlichen Miteinander, dass das Engagement der Gemeindeglieder füreinander noch immer groß ist.