Lena Uphoff
15.11.2010

Kennen Sie den? Angehörige verschiedener Berufe sollen einen Elefanten fangen. Mathematiker jagen Elefanten, indem sie nach Afrika gehen, alles entfernen, was nicht Elefant ist, und ein Element der Restmenge fangen. Ingenieure jagen Elefanten, indem sie in Afrika jedes graue Tier fangen, das ihnen begegnet, und es Elefant nennen, wenn sein Gewicht um nicht mehr als 20 Prozent von dem eines vorher gefangenen Elefanten abweicht. Manager jagen keine Elefanten. Aber sie sind davon überzeugt, dass die Elefanten sich selbst stellen würden, wenn man ihnen nur genug bezahlt.

Wir sind auf dieser Welt, um Probleme zu lösen

Wir sind auf dieser Welt, um Probleme zu lösen. Das ist die Spätfolge der Vertreibung aus dem Paradies. Im Schweiße unseres Angesichts, wie es in der Bibel heißt, sollen wir unser Brot verdienen. Wenn wir eine Aufgabe erfolgreich zu Ende gebracht haben, dürfen wir für einen Augenblick zufrieden sein, vielleicht sogar glücklich. Aber schon wartet die nächste Nuss darauf, von uns geknackt zu werden.

Die Beschreibung des Ziels ist -­ wie im zitierten Witz ­- das geringste Problem: ein gefangener Elefant.

Aber, was ist zu tun? Streit kriegen die Leute oft darüber, wie, mit welchen Mitteln und Methoden, eine Aufgabe gelöst werden soll. In der überschaubaren Arbeitswelt gibt es deshalb bewährte Ordnungen oder Hierarchien, die den Methodenstreit begrenzen, indem sie regeln, wer entscheidet und die Entscheidung verantworten muss.

Jeder pocht auf seine Erfahrungen

Schwierig wird es im Privatleben, bei Streitigkeiten in Ehen, Familien oder unter Freunden. Die Zeiten der Patriarchen und Matronen, deren Urteil sich der Rest unterwirft oder vom Hofe muss, sind längst vorbei. Alle sind gleich, und jede und jeder pocht auf seine Erfahrungen, vertraut den eigenen Begabungen, betrachtet die vertraute Logik des eigenen Lebens als Königsweg.

Mein Cousin Paul ist Mathematiker. Er hat gelernt, dass man nur genügend lange und intensiv nachdenken muss, bis man zu einem Modell gelangt, das dann in die Praxis übertragen werden kann. Paul praktiziert diese Methode gerne auch in familiären Zwistigkeiten. Pech, wenn die anderen nicht mitspielen. Dann verhalten sie sich nach Pauls Überzeugungen "irrational". Er versucht dann, die Diskussionen zu versachlichen, was nach Auffassung seiner Schwester Birgit, einer Psychologin, völlig daneben ist. Es handele sich bei Familienkrächen ja nicht um Sach-, sondern um Beziehungsfragen.

Birgit setzt auf Einzelgespräche und gruppendynamische Prozesse. Eugen, ihr Mann und erfolgreicher Kleinunternehmer, versucht Streitigkeiten materiell zu regeln, mit Geld und Geschenken.

Willi, Gewerkschafter und politisch aktiv, glaubt, dass man menschliche Konflikte in vielen Fällen gar nicht zur Zufriedenheit aller lösen kann. Manchmal müsse man "eben mehrheitlich eine Position durchdrücken oder einfach Fakten schaffen". Tante Martha hat in ihrem Leben erfahren, "dass die Wahrheit halt meistens in der Mitte liegt. Wenn jeder ein bisschen nachgibt, geht alles." Fritz, der Einzelgänger, taucht ab und stellt die Diskussion ein. "Nach ein paar Wochen Funkstille kann man neu anfangen."

Manchmal ist es sinnvoll, Fakten zu schaffen, manchmal ist es besser, lange miteinander zu reden. Bisweilen tut es gut, Kompromisse einzugehen, jemanden zu beschenken oder an die Vernunft zu appellieren. Und manchmal muss sich der eine oder die andere unsachlichst auskotzen dürfen. Oft weiß man vorher nicht, was richtig ist. Oft will man das Gute und schafft das Schlechte. Was kann man tun?

Bescheidenheit statt Rechthaberei. Vielleicht fördert eine solche Haltung die Einsicht Martin Luthers, dass der Mensch eine paradoxe Existenz ist: immer zugleich Gerechter und Sünder und deshalb auf die Liebe seiner Mitmenschen und die Gnade Gottes angewiesen.