Väterzeit - Peinlicher Stolz
Soll man mit den Erfolgen der eigenen Kinder prahlen? Natürlich nicht, aber was ist das richtige Maß?
Yelena Shestakova/iStockphoto
Kinder und ihre Leistungen
Peinlicher Stolz
Wenn Kinder etwas Tolles machen, sind die Eltern stolz. Aber ist es in Ordnung, den Stolz zu zeigen?
Lena Uphoff
05.09.2024
3Min

Neulich hat die Rugbymannschaft meines Sohnes einen Planking-Wettbewerb gemacht. Beim Planking stützt man sich ausschließlich auf die Unterarme und die Zehenspitzen. Wenn man es richtig macht, ist der Körper gerade und hart wie ein Brett. Brett heißt auf Englisch plank, deswegen planking. Der langweilige deutsche Name dafür: Unterarmstütz.

Die Mannschaft hat also einen Wettbewerb gemacht und gemessen, wer am längsten planken kann. Alle haben mitgemacht. Die Spieler sind zwischen 10 und 13 Jahren, die Trainer um die 20 Jahre. Viele der Trainer sind letztes Jahr mit ihrer Mannschaft deutscher Meister geworden: alle also super durchtrainiert.

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Mein Sohn hat gewonnen! Er hat länger geplankt als alle anderen und wurde von seiner Mannschaft gefeiert. Ich bin sehr stolz auf ihn. Und das ist natürlich peinlich. Nicht so sehr für ihn. Er findet das, glaube ich, in Ordnung. Aber für mich und alle anderen, wie auch für Sie, liebe Leserinnen und Leser, ist das peinlich, oder? Wer mag schon, wenn Eltern mit ihren Kindern angeben?

Ich bin regelmäßig peinlich berührt, wenn ich Geschichten über tolle Kinder höre, und denke im Hinterkopf: Na ja, ganz so toll war das bestimmt nicht. Viele Eltern geben nämlich nicht nur gerne an, sie übertreiben dann zusätzlich auch noch. Wenn alle Geschichten stimmen würden, die ich höre, würde jedes zweite Kind schon mit vier Jahren ganze Harry-Potter-Bücher lesen.

Ich habe mir jedenfalls geschworen und das schon mehrmals: Nicht mit den Kindern angeben, wenn sie auch noch so tolle Sachen machen sollten. Wer wirklich wissen will, ob meine Kinder toll sind, wird es selbst merken. Und dann gewinnt der Sohn den planking-Wettbewerb und schon ist der Schwur gebrochen. Wobei ich nicht das kurze Angeben am Anfang dieses Textes meine. Das habe ich rein aus argumentativen Gründen geschrieben.

Gestern bin ich mit Kollegen zum Mittagessen gegangen. Und auf dem Weg habe ich mich mit einem Kollegen unterhalten, der sehr viel und gerne Krafttraining macht. Und dann habe ich ihm vom planking-Wettbewerb erzählt und dazu noch breit erklärt, wie lange mein Sohn durchgehalten hat und was er sonst noch alles so sportlich kann und habe mein Handy herausgeholt und auch noch Fotos gezeigt. Das ist mir jetzt peinlich und ich frage mich, warum ich das gemacht habe.

Es fallen mir nur zwei Erklärungen ein: 1. Ich wollte damit kaschieren, dass ich selbst keine sportlichen Leistungen zum Angeben habe. Im Gespräch mit meinem Kollegen ist mir das vielleicht unterbewusst klar geworden und dann habe ich einfach die Leistung meines Sohnes stellvertretend ausgepackt. Ich denke, dass machen Eltern oft. Was man selbst nicht schafft, sollen wenigstens die Kinder schaffen. 2. Ich habe im Gespräch mit dem Kollegen nicht darüber nachgedacht, was man tun sollte und was nicht und stattdessen einfach ehrlich meinen ja tatsächlich vorhandenen Stolz gezeigt. Die zweite Variante ist mir sympathischer und würde vielleicht bedeuten, dass ich den Kollegen so einschätze, dass man sich ihm gegenüber nicht verstellen muss.

Als ich dem Kollegen gerade erzählt habe, dass ich über unser Gespräch von gestern schreibe, meinte er: ach komm, Vaterstolz ist doch nicht schlimm. Vielen Dank für die Absolution, aber ich erneuere meinen Schwur trotzdem. Mal sehen, wie lange ich es dieses Mal aushalte.

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Kolumne

Michael Güthlein
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Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (1) und drei Kinder (10, 9, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.