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Die Menschen interessieren sich weniger für die Wahrheit
Als Journalistin stehe ich Informationen in Texten stets kritisch und skeptisch gegenüber. Und ich bin erstaunt, wie einfach es für Menschen ist, buchstäblich alles zu glauben. Dies ist ein trauriger Trend, er kann zu großen Veränderungen in der Gesellschaft führen – oder gar zu Krieg.
Lena Uphoff
07.08.2023

Im August 2017 begannen James Lindsay (Ph.D.), Helen Plukrose (Britische Autorin) und Peter Boghossian (Professor an der University of Portland, unter anderem im Bereich des kritischen Denkens) ihr Experiment. Im Laufe des Jahres schrieben sie unter fiktiven Namen „wissenschaftliche“ Artikel, in denen sie absolut absurde Ideen und Vorschläge äußerten. Die beliebtesten Themen waren: Körperpositivität, Rassenidentifikation, Geschlechterverhältnisse, Feminismus, sexuelle Orientierung, Tierrechte usw. Gleichzeitig wurden die in den Artikeln dargelegten Theorien nicht durch Zahlen bestätigt. Sie beriefen sich auf nicht existierende Quellen und nicht existierende Wissenschaftler. Mit jedem neuen Artikel wurden Thema und These immer absurder.

Die Autoren der Artikel schlugen beispielsweise vor, Tiersex in Parks als sexuelle Gewalt zu betrachten und Fettleibigkeit dritten Grades sei gut für die Gesundheit. In anderen Artikeln wurde die starke Meinung von „Wissenschaftlern“ zum Ausdruck gebracht, dass weiße Studenten von nun an auf dem Boden und in Fesseln sitzend Vorlesungen hören sollten und Männer wie Tiere trainiert werden sollten (weil es sonst unmöglich sei, gesunde Beziehungen zu ihnen aufzubauen).

Diese Artikel wurden von verschiedenen Zeitschriften bereitwillig aufgenommen. Mehr noch: Sie wurden von vielen Leserinnen und Lesern dieser Zeitschtriften befürwortet.

Fast ein Jahr später mussten sich die Autoren dieses Projekts öffnen und über ihre Idee sprechen. Ein Skandal brach aus, die Gesellschaft spaltete sich in zwei Lager: Die einen forderten sie abzuberufen, die anderen unterstützten verzweifelt die Mutigen. Es blieb jedoch dabei: Die Menschen interessieren sich immer weniger dafür, wo die Wahrheit ist und ob sie grundsätzlich notwendig ist. Ideologie übertrifft Vernunft und kritisches Denken. Die Gesellschaft braucht nicht länger die Wahrheit, sie muss die Schuldigen finden und die Schwachen schützen. Egal wie absurd der Weg ist.

Soziale Netzwerke helfen dabei, Fakes schnell zu verbreiten

Als Journalistin denke ich ständig darüber nach.

Künstlerische Materialien (z.B. Fiktion) werden nicht berücksichtigt. Wir betrachten Fälle, in denen Fachartikeln, Essay oder Texte in sozialen Netzwerken bewusst falsche oder verfälschte Fakten verwendet werden, um die gewünschte Idee oder Lösung einer Person absichtlich zu manipulieren und voranzutreiben.

Oder die Fälle, in denen die Geschichte im Allgemeinen ohne einen „Hintergrundgedanken“ erfunden wird, nur um die Aufmerksamkeit (Likes) der Leute zu erregen.

Erst kürzlich, im Frühjahr 2020, kursierte in den Sozialen Medien ein angeblicher Brief von F. Scott Fitzgerald, der 1920 aufgrund eines Ausbruchs der Spanischen Grippe in Südfrankreich isoliert war. Und alles wäre wieder nichts, aber die Tatsache verwirrte mich: Kannte er Hemingway, der in dem Brief erwähnt wird, bereits? (Nein, sie trafen sich 1925). Und waren sie beide 1920 in Frankreich? (Nein, Fitzgerald zum Beispiel kam um 1924 nach Europa). Außerdem gab es ziemlich schnell eine Gegenargumentation: Dieser humorvolle Brief wurde von einem gewissen Nick Fariella für eine Humor-Website geschrieben. Das heißt, die Leute begannen, den Text verbreiten, aber fast niemand dachte über den Wahrscheinlichkeitgehalt der Fakten nach und achtete nicht darauf, dass dieser Text humorvoll ist.

Und jetzt, angesichts all dessen, lasst uns über etwas äußerst Ernstes sprechen, denn es kostet uns Zehntausende unschuldiger Menschenleben. Über Texte mit falschen und manipulativen Daten während des Krieges. Schließlich sind sie der Hauptbestandteil der destruktiven Propaganda.

Propagandastrategie

Wie die Erfahrung zweier Weltkriege zeigt, greift die Seite, die den Krieg auslöst, meist auf Fakes zurück. Das lässt sich erklären: Die Menschheit ist in der Mehrheit ziemlich faul und der Gedanke, in einem anderen Land in den Krieg zu ziehen oder Fremde zu töten, würde einem mehr oder weniger geistig gesunden Menschen nicht in den Sinn kommen. Damit dies geschieht, ist starke Propaganda erforderlich. Und je absurder die Ideen in den Texten sind, desto stärker ist die Wirkung, denn es löst in der Gesellschaft beispiellose Emotionen aus (Aggression, Hass, Neid usw.).  Wissenschaftliche Informationen berühren das Gehirn, während Fakes berühren Emotionen, sodass sie besser im Gedächtnis bleiben und einen größeren Einfluss auf die Gedanken und Entscheidungen der Menschen haben.

Die Strategie lautet wie folgt: Machen Sie die Fakes jedes Mal noch absurder (wie es die drei Wissenschaftler im obigen Experiment getan haben). So wird die Gesellschaft nach einiger Zeit Schritt für Schritt nicht mehr in der Lage sein, Absurdes von der Realität zu unterscheiden.

Zweitens wird die Propaganda, die aus Fälschungen besteht, meist von der Seite, die den Krieg begonnen hat, aus folgendem Grund eingesetzt: Sie muss ihre Verbrechen rechtfertigen und noch besser – damit die Gesellschaft ihre Taten nicht als Verbrechen betrachtet, sondern … als die Rettung der Menschheit.

Deshalb müssen wir ständig (ständig!) darüber schreiben, schreien und sprechen, was wahr, real und angemessen ist. Andernfalls wird die absolute Mehrheit der Menschen vergessen, worum es geht – die Wahrheit und ein normales, gesundes Leben mit Respekt für andere. Dann wird die Absurdität über die Vernunft siegen.

Und außerdem ist es notwendig, Kindern schon in jungen Jahren einen kritischen Umgang mit Informationen beizubringen. Dass sie von Anfang an in Texten und Reden hinterlistige Motive erkennen können. Andernfalls wird es uns eines Tages Zehntausende unschuldiger Leben kosten.
 

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Besonders die "Individualbewussten" Wohlstands-/Gewohnheitsmenschen dieser wettbewerbsbedingt-konfusionierten Welt- und "Werteordnung" haben sich noch nie für die zweifelsfrei-eindeutige Wahrheit interessiert, weil/weshalb sie hierarchiesch wie spirituell zu systemrationaler Suppenkaspermentalität gebildet werden - Jounalistische "Neutralität" war deshalb auch so leicht konform auf die "Vernunft" zum nun "freiheitlichen" Wettbewerb zu manipulieren.

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"Zuerst stirbt die Wahrheit, dann sterben die Menschen! Inschrift an einem Fachwerkhaus in Hildesheim

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