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Liebe Dominique,
danke für Deinen Beitrag, traurig, die Geschichte Deines Onkels und auch Deiner Großmutter. Ich finde, wir sollten an dem Thema Ostrente/Westrente dranbleiben. Das betrifft einfach zu viele Menschen in unserem Land, und die müssen wissen, was auf sie zukommt.
Es ist immer wieder interessant, über was alles ich so stolpere, wenn ich für unseren Blog recherchiere. Letzte Woche beispielsweise war ich auf einem Workshop des Vereins Pro Quote Medien, da sind wir beide dabei, denn wir beide wollen, dass auch in den Medien endlich mehr Frauen an die Spitze kommen. Bei den Regionalzeitungen beispielsweise sind von 108 Chefredakteursstellen nur 8 (acht!) weiblich besetzt. Ein Witz - wir schreiben das Jahr 2019!
Es geht nicht um Schwangerschaftsbbruch ja oder nein - es geht um den Umgang miteinander
Und auf diesem Workshop kamen natürlich auch KollegInnen mit ostdeutscher Biografie zu Wort und es ging noch mal generell um die Rolle der Frau - in der DDR und in der BRD. Was hatte wer wo erreicht, wer war wo wie weiter in den Fragen der Gleichberechtigung. Nun haben Frauenquote und Abtreibungsrecht wirklich gar nichts miteinander zu tun. Aber es ging um ostdeutsche Lebensläufe, ihre Brüche und ihre Kontinuitäten - und dazu gehörte für diese Frauen auch der ganze Bereich Schwangerschaftsabbruch und die gesetzlichen Regelungen dazu.
Seit kurzem streiten wir ja wieder intensiv darüber, konkret um das sogenannte "Werbeverbot" für Schwangerschaftsabbrüche, den § 219a. In der DDR war der Schwangerschaftsabbruch seit 1972 innerhalb der ersten 12 Wochen legal. Mit der Wiedervereinigung wurde das ostdeutsche Recht, nun ja, ich vereinfache das hier mal, mehr oder weniger abgeschafft, fortan galt eine viel strengere, dem westdeutschen Recht angepasste Regelung.
Egal, welche historischen Gründe das DDR-Gesetz hatte, es wurde abgeschafft
Das Abtreibungsrecht ist ein schwieriges Thema. Zu Recht gibt es darüber Streit. Was ich völlig unabhängig davon aber mal wieder erschreckend finde: Mit welcher Radikalität auch hier den DDR-Bürgern in der Zeit nach der Wiedervereinigung die eigene Geschichte, die eigene Auseinandersetzung mit politischen Rechtsfragen, mit Traditionen und eingeübten gesellschaftlichen Normen genommen wurde. Wäre ich in der DDR geboren, hätte mich das stinkwütend gemacht. Ich glaube aber auch: Ich hätte mich als DDR-Frau stärker eingebracht in die Diskussion. Wo waren die starken ostdeutschen Stimmen, als es um die Gesetzesänderungen ging? Wenn ich einen Namen aus dieser Zeit erinnere, dann ist es immer wieder Alice Schwarzer. Finde ich schade. Die Schriftstellerin Jana Hensel hat das Thema vor einigen Monaten auch aufgegriffen. Ihr Fazit: "Fortan galt die bundesrepublikanische Realität, völlig egal, aus welchen Gründen sich die DDR zu einem anderen Weg entschlossen hatte."
Mh... Ja, das von mir heute, liebe Dominique. Ich lerne viel, seit wir uns schreiben.
Freu mich auf deine Antwort und wünsche Dir jetzt erst mal einen guten 1. Advent.
Kleines PS: Jana Hensel haben wir für unser Dezemberheft interviewt.
Deine
Dorothea