Teller Spirellinudeln mit Tomatensoße, Petersilie, Käse und Würstchen
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Deutschland hat verloren - zu unrecht!
Essen mit Tristesse
Die Europameisterschaft läuft weiter. Die deutsche Mannschaft nicht. Sie ist durch das Fehlurteil eines englischen Schiedsrichters aus der EM geflogen. Trostessen
10.07.2024
3Min

Anthony Taylor aus Manchester, früherer Gefängniswärter, ist schon mehrfach wegen seiner, sagen wir mal, überraschenden Interpretation des Spielgeschehens aufgefallen. Nach einem Premier-League-Spiel im letzten Oktober zwischen Newcastle United und den Wolverhampton Wanderers musste er sich sogar öffentlich für eine krasse Fehlentscheidung entschuldigen … Danach durfte er erst mal in der zweiten Liga pfeifen.

Aber, wie man in Bayern sagt, der Kas is bissn. Es ist nichts mehr zu machen. Auch eine Petition, das Spiel zu wiederholen, hat trotz der bisher weit über 400 000 Unterschriften kaum eine Chance, erfolgreich zu sein. Aus und vorbei. Gestern haben Spanien und Frankreich gegeneinander gespielt, heute sind England und die Niederlande dran. Wer auch immer das Finale am Sonntag bestreitet, die Deutschen sind es nicht. Ich brauche ganz entschieden ein Trostessen.

Trostessen, das sind Gerichte, die man unbedingt draufhaben sollte, ohne lange zu überlegen. Man ist ja schließlich des inneren Zuspruchs bedürftig und nicht in der Lage, sich groß Gedanken über Gewürzkompositionen zu machen, ein Schäumchen aus Kartöffelchen zu kreieren oder sich in die Höhen irgendeiner fremdländischen Haute Cuisine zu schwingen. Lukullische Inspiration findet nach dem Ausscheiden in der Verlängerung eines Viertelfinales nicht mehr statt.

Des weiteren sollte man auch nicht einkaufen müssen, wenn man sich ein Trostessen zubereiten möchte. Alles hat griffbereit da zu sein. Da gibt es einen Unterschied zum Soul-Food, dem Seelenfutter der afroamerikanischen Südstaatenküche. Es ist zwar auch eher einfach, weil es aus der Not, in Zeiten von Unterdrückung und Sklaverei geboren wurde. Es braucht aber bestimmte Zutaten wie Chicken Wings, Garnelen, Okraschoten und Süßkartoffeln, die man in unseren Breiten nicht unbedingt zuhause hat.

Trostessen ist auch nicht mit Comfort Food zu verwechseln, bei dem es darum geht, die Seele zu streicheln und vielleicht liebgewonnene Erinnerungen an die Kindheit wieder zum Leben zu erwecken. Wohlfühlessen Fleischpflanzl mit Kartoffelsalat, Königsberger Klopse mit Sahne-Kapern-Sauce oder Pfannkuchen samt Apfelkompott. Solche Speisen erfordern einen gewissen Aufwand und gegebenenfalls einen kurzen Sprint zur Lebensmittelhändlerin um die Ecke.

Sehr schön das alles, hat aber nichts mit Trostessen nach einer vermaledeiten, unverdienten und ungerechten Niederlage im Fußball zu schaffen, die einem ein englischer Schiri verpasst hat. Unnötig zu sagen, dass in diesem speziellen Fall Fish and Chips, abgesehen von der Arbeit, die sie machen, keinesfalls als Trostessen in Frage kommen. Man muss sorgfältig darauf achten, dass sich keine unguten Assoziationen ins Essen mengen - sonst wird einem keinesfalls besser.

Zur Tat geschritten. Nudeln müssen her, am besten solche, wie man sie von früher kennt und mag: Spiralnudeln. Dazu ein kleingeschnittenes Würstchen, Wiener Art oder vegan, Erbsen, Petersilie oder Koriander, und eine feine Tomaten-Sahne-Sauce mit viel angedünsteten Zwiebeln. Ordentlich würzen, denn beim Heulen verliert man nicht nur 70 Milliliter Wasser, sondern auch Mineralien. Jede Träne enthält 0,9 Prozent Salz. Das habe ich von "W wie Wissen" aus der ARD. Die haben auch das Spanien-Spiel übertragen.

Die gekochten Nudeln mit der warmen Sauce vermischen und ordentlich Käse drauf. Wer es leichter mag, nimmt Mozzarella, ansonsten passt alles, was fett, kalorienreich und damit tröstlich ist. Ich esse noch einen Salat dazu, grün wie die Hoffnung auf die nächste WM in Kanada, Mexiko und den USA. Vor allem aber ein saftiges Gurken-Grün im Blick auf die EM 2028 in Großbritannien und Irland. Ha, Taylor, wir kommen! Du wirst sehr viel Trostessen brauchen.

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Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.