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100 Milliarden Euro sollen in den Klima- und Transformationsfonds wandern. Die Grünen haben diese Summe in die Gesetzesentwürfe hinein verhandelt, denen morgen zwei Drittel der Abgeordneten des Bundestages zustimmen müssen. Die werdende Koalition aus Union und SPD sieht dafür bessere Chancen, wenn der "alte" Bundestag darüber abstimmt. Das hat wenigstens ein "Geschmäckle", ist aber ein Thema für sich.
Sind diese 100 Milliarden Euro eine gute Nachricht? Fakt ist: Im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD spielen Klima und Energiewende bestenfalls eine untergeordnete Rolle; auch im Wahlkampf war das Thema unterbelichtet, es ging fast nur um Migration. Wenn man sich zum Gespräch mit Sven Selbert, dem NABU-Waldreferenten, verabredet, merkt man: Nicht an die Wälder zu denken, wäre sehr kurzfristig gedacht. Sven Selbert ist Biologe und am Rande des Habichtswaldes in Kassel aufgewachsen, hat darin Höhlen gebaut und Salamander entdeckt. "Aber man muss nicht neben einem Wald aufgewachsen sein, um ihn zu lieben. Der Wald gibt allen Menschen etwas", sagt er.
Doch dem Wald geht es nicht gut "Besonders von Schäden betroffen sind naturferne Wälder." Selbert erinnert an Fichtenbestände, die in den Dürresommern zu Beginn des Jahrzehnts durch Extremwetterereignisse wie Stürme und Schädlingsbefall gelitten haben. Die Fichte ist eine Baum gewordene Mahnung. Denn Fichtenwälder entstanden, weil sie schnelles Wachstum und rasche Erträge versprachen. Nach den Weltkriegen war Holz knapp in Deutschland und Europa, die Fichte schien die Lösung zu sein – auch in flachen Regionen, in denen sie eigentlich nicht zu Hause war. "Fichtenforste waren schon immer eine unsichere Wette auf die Zukunft", erzählt Selbert. Heute sehen nachfolgende Generationen: Die Wette war zu riskant.
"Die Natur hat sehr große Selbstheilungskräfte"
Sven Selbert
So schlecht der Zustand vieler Wälder - von den verbreitetsten Arten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche sind laut Waldzustandserhebung vier von fünf Bäumen krank – ist: Es gibt auch gute Nachrichten. "Die Natur hat sehr große Selbstheilungskräfte", sagt Selbert. Diese Erkenntnis setze sich auch in den Forstwissenschaften durch. Die Voraussetzung: "Der Wald muss möglichst ungleichartig sein." Also: Es darf keine Monokulturen und Kahlschläge mehr geben. Der Wald muss sich naturverjüngen können. Auf diese Weise wachsen Baumarten in Regionen, in die sie auch passen. Neben und unter alten Bäumen, die Schatten spenden, müssen junge Bäume heranwachsen können – so entsteht ein ungleichaltriger Wald. "Naturnahe und vielfältige Wälder haben haben in den vergangenen Jahren auch weit weniger unter teils extremen Wetterbedingungen gelitten."
Allein: Um diesen Prozess in Gang zu bringen, braucht es Geld. Und Geduld. Denn wie wir heute politisch über die Zukunft der Wälder entscheiden, wird erst in Jahrzehnten sichtbar und greifbar werden. Ein Wald ist immer ein generationsübergreifendes Projekt. Und da sind wir wieder beim Investitionspaket: Was wir heute in die Zukunft der Wälder investieren, zahlt sich erst in vielen, vielen Jahren aus.
Sven Selbert hat ein Bild dafür, wie wertvoll die Wälder werden können. "Wenn wir nun für die 500 Milliarden im geplanten Sondervermögen Euro Brücken bauten, hätten wir zwar erstmal nagelneue Brücken. Aber in einigen Jahrzehnten zerbröseln auch sie wieder. Der Wald schüttet seine Dividende erst dann aus."
Dividende? Selbert meint damit die vielen Funktionen, die Wälder haben: Sie kühlen die Landschaft herunter und speichern Wasser. Sie bieten den Menschen Schatten, Erholung und Ruhe. Sie beherbergen viele und auch seltene Arten und Pflanzen, dienen also dem Erhalt der Biodiversität. Und sie liefern Holz, einen nachwachsenden Rohstoff, der noch Kohlenstoff speichert, wenn er verbaut ist. Und sogar eine Friedensdividende könne der Wald, könnten aber auch renaturierte Moore abliefern: "In der Ukraine kam der Vormarsch von Putins Truppen immer dort zum Erliegen, wo es natürliche Barrieren wie Flüsse, Moore, aber auch dichte und gesunde Wälder gibt."
Ein moderner Kampfpanzer kostet mehr als 25 Millionen Euro. Sven Selbert will diese Zahl nicht als Absage an Mehrausgaben für die Bundeswehr verstanden wissen. Dass Europa sich auch militärisch besser schützen muss, erkennt er an. "Aber im Waldklimafonds steckten zuletzt Mittel in Höhe von etwa 30 Millionen Euro pro Jahr. Durch den Haushaltsstreit in der Ampelregierung ist er ausgelaufen. Dabei könnte man schon mit dem Geld für einen Panzer sehr viel Gutes für die Zukunft der Wälder tun", erinnert Selbert die Koalitionäre von CDU/CSU und SPD daran, die Wälder beim Investitionspaket nicht zu vergessen. "Und mit einer halben Milliarde Euro könnten wir ein riesiges Rad drehen."
Es wäre nur ein Promille des 500 Milliarden-Paketes, das sich die Koalitionäre in spe ersannen, obwohl einer der beiden Partner neue Schulden bis zum 23. Februar noch strikt abgelehnt hatte…