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Hiob hat es satt. Er hat seine Familie und seinen Besitz in furchtbaren Katastrophen verloren. Nun ist er schwer krank und geht hart mit Gott ins Gericht. Aus welchem Grund wird er, der er immer ein frommer Mann war, so schwer von Gott gestraft und geschlagen? Hiob weiß, dass ein Mensch nicht rein und makellos sein kann. Aber er sieht keine Schuld an sich, deretwegen er diese harte Strafe verdient hätte.
Dirk Ahrens
Geradezu heroisch wagt er den Aufstand gegen Gott: Wenn es einen gerechten Richter gäbe, einen, dem auch Gott sich unterwerfen müsste, Hiob wäre sicher, Recht zugesprochen zu bekommen! Und er geht noch weiter und wirft Gott vor, dass er den Menschen total in seine Abhängigkeit bringe. Der Mensch ist sterblich und unvollkommen, Gott aber ist Gott und entscheidet über die Länge des Lebens. Eine Auseinandersetzung mit Gott kann der Mensch nicht gewinnen, denn es gibt den gerechten Richter über Gott nicht. Besser wäre es also, Gott ließe den Menschen in Ruhe, wendete seinen Blick von Hiob ab und ließe ihn in Frieden sterben. Hiob sehnt sich nach dem Tod, wie sich der hart arbeitende Tagelöhner nach dem Abend sehnt. Das alles denkt Hiob nicht im Stillen: Er sagt es auch nicht vertraulich seinen besten Freunden. Sondern er schleudert es laut und vernehmlich dem Himmel entgegen.
Weil Hiob die Hoffnung nicht aufgibt, kann er ins Leben zurückkehren
Wie viele Menschen hätten guten Grund, Gott mit Zorn entgegenzutreten? Millionen Opfer von Krieg und Vertreibung. Schuld- und wehrlose Mütter mit ihren Kindern. Misshandelte und unterdrückte Frauen. Unzählige Opfer von Hunger und Naturkatastrophen. Auch all jene, die einen geliebten Menschen durch eine tödliche Krankheit oder einen Unfall verloren haben. Die allermeisten schweigen und unterwerfen sich der Realität ihres Lebens, und nicht wenige fühlen sich dabei auch noch irgendwie schuldig. Sie schreien nicht auf, sondern fügen sich still. Viele haben sich immer schon wertlos gefühlt. Und daneben stehen die anderen, die ohnehin nie an Gott glauben konnten oder wollten, und jene, die nach schrecklichen Erfahrungen jeglichen Kontakt eingestellt haben.
Nicht so Hiob. Hiob sucht den Konflikt. Er begehrt auf, flucht, schimpft, wütet und ist nicht bereit, sich zu unterwerfen. Er akzeptiert Gottes Verhalten nicht und lässt ihn das auch hören. Seine Frömmigkeit ist so groß, dass er nicht von Gott ablassen kann. Er fordert Antworten und Erklärungen, warum er so schreckliches Leid tragen muss.
Und er argumentiert mit großer Geistesschärfe. Mit seiner Hartnäckigkeit zwingt er Gott zu antworten. In einer harten Auseinandersetzung kommen sie einander näher. Gott bleibt Gott, und Hiob bleibt Mensch. Die große Kluft ist nicht aufzuheben. Aber wer Hiobs Geschichte liest, lernt mit ihm, dass Schicksalsschläge weder mit persönlicher Schuld noch mit Gottes finsterem Willen zu tun haben müssen. Der Glaube schützt weder vor Verlusten noch vor Krankheit und Not. Aber der Glaube bedeutet, mit Gott in Kontakt und Beziehung zu stehen. Was auch immer Hiob widerfährt: Er ist in den Händen dessen, der Anfang und Ende des Lebens ist. Darin, wie er sich mit Gott auseinandersetzt, ist er Vorbild.
Weil Hiob die Hoffnung nicht aufgibt, kann er ins Leben zurückkehren
Hiob weigert sich, die Hoffnung aufzugeben. Weil er nicht aufhört, von Gott etwas zu erwarten, kann Hiob ins Leben zurückkehren. Damit kämpft er stellvertretend für alle, die in der Not verstummen, und für all jene, die sich in ihre Schuldgefühle ergeben haben. Seine Worte geben den Verstummten und Zerbrochenen mit klugen Argumenten und heißem Herzen eine Stimme – gegenüber anderen Menschen und gegenüber Gott.
Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst. Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer! Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann: so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.