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Ja, der jüdische Knabe Jesus hat das Chanukkafest begangen – so teilt es uns das Evangelium des Johannes in 10, 22 mit: "Es war aber Kirchweih in Jerusalem . . ." Zugegeben: Andere Übersetzungen des Evangeliums schreiben vom "Neujahrsfest im Herbst".
Indes: Wie genau das griechische "Engkainia" ins Deutsche zu übersetzen ist, wird ungewiss bleiben – die "Bibel in gerechter Sprache" hat sich jedenfalls für "Chanukkafest" entschieden und fährt fort: "Es war Winter und Jesus ging im Tempel in der Säulenhalle umher."
Chanukka aber ist eines der wenigen jüdischen Feste, das nicht die hebräische Bibel, der Tenach, sondern erst die griechische Septuaginta bezeugt. Erst spät, im zweiten Jahrhundert vor der Zeitrechnung, führen sie es ein. Das Lichterfest soll daran erinnern, dass nach der Entweihung des Tempels durch die hellenistischen Seleukiden das ewige Licht im Tempel auch dann noch brannte, als das Öl des Leuchters bereits ausgegangen war.
Micha Brumlik
Wann genau soll sich die Geburt des Knaben Jesus, der Chanukka feierte, ereignet haben? Die neutestamentlichen Quellen geben darüber keine Auskunft. Die Religionsgeschichte glaubt zu wissen, dass der Geburtstag Jesu am 25. Dezember seit dem Jahr 336 als kirchlicher Feiertag belegt ist – also seit den Tagen Kaiser Konstantins, der sich bekanntlich noch auf dem Sterbebett taufen ließ.
Dieser Tag, der von Konstantin verfügte 25. Dezember, wurde im Römischen Reich schon sechzig Jahre vorher reichsweit gefeiert, seit der stoisch gesonnene Kaiser Aurelian im Jahr 274 den 25. Dezember als Feiertag des "Sol Invictus", des unbesiegten Sonnengottes, eingeführt hatte. Und auch diese Gottheit hatte Vorläufer. So wurde seit dem dritten Jahrhundert vor der Zeitrechnung im kilikischen Emesa der Sonnengott Elagabal verehrt.
Wiederum teilt uns die Religionsgeschichte mit, dass schon zu Beginn des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts jüdische Freunde des Hellenismus in Jerusalem den Gott Israels mit dem semitischen Sonnengott Ba’al Samem gleichsetzten.
Im westlichen Christentum scheint die Adventszeit seit dem sechsten Jahrhundert bezeugt zu sein. Auf jeden Fall ist es mehr als ein Zufall, dass sowohl die Adventstage als auch Chanukka Lichterfeste sind, die das Dunkel des Winters erhellen sollen.
Das im Tenach nicht bezeugte Chanukkafest ebenso wie die neutestamentlich nicht belegten Adventstage erweisen sich so als Relikte einer "natürlichen" Astralreligion, die sich im deutschen Judentum in heiterer Weise noch bis ins frühe 20. Jahrhundert erstreckt hat.
So feierten die deutschen Juden im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert nur zu gern – wie vor Jahren eine Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin belegte – "Weihnukka", indem sie selbst einen Christbaum aufstellten und nach dem Entzünden der Chanukkalichter für die Kinder des Hauses eine Bescherung veranstalteten – oder ihnen doch mindestens ein "Chanukkageld" zukommen ließen.
Historisch gesichert war es die aus Berlin nach Wien gezogene jüdische Salonnière Fanny von Arnstein (1758–1818), über deren Wiener Leben die Autorin Hilde Spiel berichtet: "Bei Arnsteins war vorgestern nach Berliner Sitte ein sehr zahlreiches Weihnachtsbaum- oder Christbaumfest. Es waren dort Staatskanzler Hardenberg, die Staatsräte Jordan und Hoffmann, Fürst Radziwill, Herr Bartholdy, alle Anverwandten des Hauses. Alle gebetenen, eingeladenen Personen erhielten Geschenke oder Souvenirs vom Christbaum. Es wurden nach Berliner Sitte komische Lieder gesungen . . . Fürst Hardenberg amüsierte sich unendlich."
Der Anarchist Erich Mühsam (1878–1934) – er wurde 1934 im KZ Oranienburg ermordet – dichtete 1914: "Geboren ward zu Bethlehem / ein Kindlein aus dem Stamme Sem. / Und ist es auch schon lange her, / seit’s in der Krippe lag, / so freun sich doch die Menschen sehr / bis auf den heutigen Tag. / Minister und Agrarier, / Bourgeois und Proletarier – / es feiert jeder Arier / zu gleicher Zeit und überall / die Christgeburt im Rindviehstall. / (Das Volk allein, dem es geschah, / das feiert lieber Chanukah.)"