Dorothea Heintze Eigenheimsiedlung Hamburg
Dorothea Heintze
Die Natur, die Ruhe, der Garten...
Das eigene Haus, ein Garten - das wünschen sich viele Menschen. Ich meine: zu viele. Denn dieser Traum kostet uns unendliche Ressourcen. Wie wärs mit mehr Mehrfamilienhäusern im Grünen?
Tim Wegner
16.06.2022

Letzte Woche spazierte ich mit einer guten Freundin mal wieder lange durch einen Hamburger Vorort. Überall zwitscherten Vögel, die Gärten waren wenig belebt, es war ruhig, vor vielen Häusern standen Autos. Ich genieße solche Spaziergänge immer sehr, doch das Lebensmodell Einfamilienhaus bleibt mir fremd. Vielleicht weil ich selbst als Kind so aufgewachsen bin und für mich entschlossen habe: Ich möchte anders leben.

Meine Freundin dagegen ist mit ihrem Mann schon vor über zwanzig Jahren aus der Stadt in einen Vorort gezogen und lebt dort immer noch, in einem hübschen Haus, mit großem Garten. In Sichtweite brüten Storche, in der Stichstraße gibt es kaum Verkehr. In der Nachbarschaft wohnen einige alte Frauen, meist verwitwet, allein in den großen Häusern, in anderen spielen Kinder, aber laut wird es fast nie. Wenn ich sie besuche, genieße ich die Ruhe, finde sie auf der anderen Seite aber auch immer wieder etwas bedrückend.

Während wir so spazieren gehen und uns die Häuser rechts und links vom Gehweg ansehen, frage ich sie: Warum lebt ihr so gern so weit draußen? Was ist so toll an einem eigenen Haus? Na klar, eben genau, die Ruhe, der Garten, die Vögel. Mit Ruhe meint sie auch die Ruhe vor anderen Menschen. Auch ich bin gern allein in meiner Wohnung und sicherlich hätte ich gern mehr Natur um mich rum. Stattdessen Autos, Kräne, Lärm. Einen Großteil ihrer Bedürfnisse kann ich also gut verstehen.

Die Bundesministerin weiß: Das ist die größte Herausforderung

Was ich gar nicht verstehen kann, ist der dringende Wunsch nach einem abgeschlossenen Haus, bitte möglichst mit großem Garten und möglichst dichtem Sichtschutz drumherum (hat meine Freundin nicht. Ihr Garten ist von einem liebevoll bepflanzten Steinwall umgeben).

Mit ihrem Wunsch ist meine Freundin eine von vielen. In der letzten Woche erzählte Bundesbauministerin Klara Geywitz in der Wochenzeitung DIE ZEIT von einem Schulbesuch. Sie fragte die Schüler*innen: „Wer von euch würde denn, wenn er könnte, ein Einfamilienhaus mit Garten bauen?“ Alle hoben die Hand. Darauf sagt Klara Geywitz im Artikel: „Das ist genau die Herausforderung, die wir haben.“ Überhaupt ist das eines der Lieblingsthemen der Ministerin: Weniger Platzverbrauch pro Kopf im Wohnungsbau.

Absurder Verbrauch von Ressourcen

Bei meinem Spaziergang durch den Villenvorort wird mir dieses Problem mal wieder deutlicher denn je. Es gibt einfach keinen Platz für all die gewünschten Einzelhäuser in diesem Land. Und wir sind mitten in der Klimakatastrophe. Großen Mengen von Blech zu produzieren, um eine Person mit dem Auto zum Brötchenholen zu kutschieren, ist ein genauso absurder Verbrauch von Ressourcen, wie Tonnen von Beton zu verbauen, um für zwei Leute ein Eigenheim oder große Eigentumswohnungen zu bauen.

A propos Eigentumswohnungen: Ich selbst wohne ja auch in einer, die viel zu groß ist für zwei Personen. So gesehen gibt es für mich keinen Grund, sich irgendwie "besser" zu fühlen. Aber es ist gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die genau das ausprobieren, was eine von vielen Lösungen sein könnte. Mehrfamilienhäuser im Grünen zum Beispiel. Vor zwei Jahren war ich in Blankenfelde in Berlin, eine Genossenschaft auf einem alten Rittergut, mit Wohnungen in alten Häusern. Grün und ruhig, trotzdem nicht einsam. Und das Cafe auf dem Gelände war auch wunderbar. Ein echter Ausflugstipp für den Sommer.

 

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Die Villa ist schädlich. Wir kommen aus dem GRÜNEN und sollen nicht mehr dahin zurückdürfen? Wohnt Frau Heintze im Silo? Dann ins schädliche GRÜNE wechseln. Nach der Bekehrung wieder zurück zur Silogemeinschaft. Dann kommt die Erinnerung und zurück ins GRÜNE. Der ständige Wechsel öffnet die Augen für das eigene Absurdistan. Noch besser: Von MO b. FR in der urbanen Nähe vom Theater und SA u. SO in die Datscha. Wohl dem der hat. Wer will mir das Recht nehmen, im GRÜNEN zu leben wie ich will? Weit weg von den urban- liberalen Moden mit einer Halbwertzeit von 5 Monaten? . Vielleicht die, die kein GRÜN pflegen wollen? Neben uns ein Haus mit 3 Gartenparzellen und 3 Familien, die nur noch BIO kaufen. 50% landet in der Tonne. Der Garten ist schön, solange ihn andere pflegen und der Gärtner die je 100 qm Rollrasen spritzt. Mehr ist nicht drin und drauf. Schöne neue Stadtwelt. Außerdem hat man als Hobby 20 Hasen, die das grüne Gewissen beruhigen. In der Hitze leiden die Hasen. Selbst schuld, wenn sie ein so dickes Fell haben. Oder ist das eine linksliberale urbane Konsumwelt mit veganem Schutz gegen konservativ? Wenn alle nur noch BIO leben wollen, gibt es, wegen der mangelnden Erträge die brutale Dezimierung durch Hunger. Wenn alle in Silos leben sollen, gibt es Nachbarschaftskämpfe, mit der Folge, dass dann jeder Silo seinen Rechtsanwalt braucht. Schöne neue Welt, WENN MAN DAS DILEMMA NICHT SEHEN WILL.

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Und ein absurder Text im Vergleich zur Menschlichkeit. Es geht noch rigoroser. Zur 100-%-Nutzung alle Schwimmbäder, Turnhallen, Schulbücher, Schul-, Büro- und Wohnräume 365 Tage, 24 Stunden im Schichtbetrieb vermieten und belegen. Keine räumlichen Ruhe- und Leerstandszeiten zulassen. In Krankenhäusern doch auch möglich! Ziel 100%-Nutzung. Wenn, dann bitte konsequent zu Ende denken. Eingepfercht in Silos, schichtweise in die Grünanlagen. So sieht eine optimale Nutzung aus. Frau Heintze: Nur ein Problem. Wo sind die, die Ihrem erhobenen Zeigefinger folgen? Ach so, die sind alle uneinsichtig und haben ihr Klima verdient.

Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.