Corona-Impfung, Pflaster mit aufgemaltem Corona-Virus
Corona-Impfung, Pflaster mit aufgemaltem Corona-Virus
Marie Maerz / Photocase/Marie Maerz / Photocase
Von Impfpflicht, Macht und Freiheit
In Deutschland tritt die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft. Sie ist sinnvoll und keine Strafe. Eine allgemeine Impfpflicht ist aber trotzdem nicht zumutbar
privat
15.03.2022

„Sie sollten sich jetzt aber keine Coronainfektion einfangen“, meinte ein freundlicher Arzt, als es mir im Krankenhaus gerade ziemlich mies ging. „Sie Held“, dachte ich mir damals, „was soll ich denn tun?“ Es galt das allgemeine Besuchsverbot, ich kam also gar nicht in Versuchung, Menschen zu treffen. Doch anders als zuhause kann man im Krankenhaus nicht alleine bleiben, zahlreiche Kontakte sind unvermeidbar. Und eine schützende Impfmöglichkeit lag in weiter Ferne.

Jetzt sieht das anders aus. Es gibt eine Impfung, die wirkt, wenn auch nicht so effektiv und langandauernd wie erhofft. Aber sie schützt eben nur dann, wenn Menschen sich auch impfen lassen; und daran hapert es, selbst im medizinischen Bereich.

Für Impfskeptiker sieht das völlig anders aus

Solange das so ist, fühle ich mich im Krankenhaus schon deutlich wohler, wenn ich darauf vertrauen kann, dass alle geimpft sind, weil eine einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt.  Und noch freier könnte ich leben, wenn durch eine allgemeine Impfpflicht mehr Menschen geimpft wären.

Ich weiß, für Impfskeptiker sieht das völlig anders aus. Sie sehen ihre Freiheit gerade durch eine verpflichtende Impfung eingeschränkt.  Ein typischer Konflikt mit widerstreitenden Interessen; und je weniger miteinander geredet wird, desto deutlicher wird die Machtfrage gestellt. Wer sich für eine Impfpflicht ausspricht, glaubt ja offensichtlich nicht mehr daran, überzeugen zu können und sucht demokratisch legitimierte Macht.

Und wer „Lügenpresse“ ruft, will erst recht nicht mehr reden. Mit Fackeln vor Häusern von Politiker*innen wird Stärke demonstriert, sonst nichts. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“ höre ich von Protestierern, sehe aber im Gegensatz dazu lautstarke, selbstbewusste „Spaziergänger“.

Sie klagen und pochen gleichzeitig auf ihre Macht

„Wir werden durch die Impfpflicht bestraft und existentiell bedroht“, klagen manche Mitarbeitende und pochen gleichzeitig auf ihre Macht: Die Gesellschaft könne es sich doch gar nicht leisten, auf irgendjemanden in der Pflege zu verzichten.

Ziemlich hilflos und kleinlaut wirkt dagegen der Wunsch vieler alter Menschen, zur eigenen Sicherheit nur von geimpften Menschen gepflegt zu werden. Das hat nichts mit Undankbarkeit zu tun und schon gar nichts mit Bestrafung, im Gegenteil, nach ausreichend bitteren Erfahrungen in den letzten Monaten ist das ein sehr nachvollziehbares Interesse.

Jeder Mensch zählt

Diese leisen Stimmen haben nicht weniger Bedeutung als lautstarke Hinweise auf Unersetzlichkeit und Stärke. Jeder Mensch zählt, unabhängig von Nutzen und Leistungsfähigkeit. Zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die demokratisch beschlossen wurde, sehe ich daher keine Alternative. Die Wahl zwischen Impfung und einem anderen Arbeitsplatz ist zumutbar und der Pflegenotstand kann auf Dauer sowieso nur durch bessere Arbeitsbedingungen behoben werden.

Anders sieht es bei der allgemeinen Impfpflicht aus. Gerade durch meine Krankheitsgeschichte ist mir körperliche Integrität enorm wichtig geworden. Ich will auch „Nein“ sagen können, wenn mich jemand behandeln will, selbst wenn andere verständnislos den Kopf schütteln.  

Schweren Herzens lehne ich daher eine allgemeine Impfpflicht ab.       

Aber ich werde weiterhin unermüdlich für das Impfen werben und schreiben und reden. Aufgeben geht nicht – dafür hat das Coronavirus einfach zu viel Macht.   

 

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Ich bin der Meinung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht nach dem Bundestagsdesaster sofort abgeschafft werden muss. Gerade diese Pflegekräfte und Ärzte haben es nicht verdient, dass man sie drangsaliert. Wer hat denn die letzten zwei Jahre alles am Laufen gehalten? Ungeimpfte waren und sind nicht das Problem. Auch eine 100- prozentige Impfung stoppt keine Pandemie!!!

Kolumne

Karin Lackus

Als Klinikseelsorgerin und Krebspatientin kannte Pfarrerin Karin Lackus den medizinischen Alltag unterschiedlichen Perspektiven und hat darüber gebloggt. Ende April 2023 ist Karin Lackus gestorben. Der Blog bleibt online, und in Absprache mit den Angehörigen haben wir im Blog noch einige Texte veröffentlicht, die Karin Lackus vor ihrem Tod verfasst hat.