Der ausrangierte Hund
Der ausrangierte Hund
Kati Szilagy
Der ausrangierte Hund
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
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27.10.2021

Manuel J. aus Lübeck fragt:

Bekannte von uns haben sich im letzten Lockdown einen Hund gekauft, monatelang alle damit vollgelabert. Nun sind sie geimpft, können wieder überall hin, für das Tier war keine Zeit mehr, es ist im Tierheim. Darf ich ihnen sagen, dass ich es ätzend finde?

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Stefanie Schardien

Dr. Stefanie Schardien, geboren 1976, ist Theologin und Theologische Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Zuvor war sie Pfarrerin in St. Michael in Fürth. Sie war Juniorprofessorin an der Universität Hildesheim für Systematische Theologie und arbeitete als Pfarrerin für Kindergottesdienst im Amt für Gemeindedienst der Bayerischen Landeskirche. Schardien ist Mitglied der Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Seit 2019 gehört Schardien dem festen Team der ARD-Sendung "Das Wort zum Sonntag" an.

Stefanie Schardien antwortet:

Lockdown-Tiere – eine der trauri­gen Pandemienebenwirkungen. Ich habe mich gefragt: Warum haben Sie sich bislang wohl ­zurückgehalten? Gewissens­bisse, weil Sie Ihre Bedenken nicht vor dem Kauf angebracht haben? Das mögliche Ende der – für Sie ja ohnehin nun "ätzen­den" – Bekanntschaft? Meine Vermutung: Die Sehnsucht nach einem Haustier in der Pandemie konnten viele Menschen gut nachempfinden. Wer hätte das emotionale ­Desaster zuvor auch je geahnt: Wie einsam sich das Leben im Single-­Hausstand oder im Home­office anfühlen könnte? Wie Berührungen fehlen würden? Wie sehr man traurige ­Kinder aufheitern wollte?

Zweifellos: Die Umsichtigen zogen verantwortungsethisch vorbildlich den Rationalitätsfilter ein: Passt der Hund in mein Post-Corona-­Leben? Andere haben das leider zu wenig getan. Ich glaube: Den meisten davon ist ihr problematisches Verhalten sehr bewusst und sie werden sich der Tierabschiebung ziemlich schämen. Zumindest waren Ihre Bekannten verantwortlich genug, den Hund nicht einfach auszusetzen. 

Also: Natürlich, Sie können in der Wunde dieser per­sönlichen Pandemieniederlage bohren und draufhauen. Nur, mit welcher Absicht eigentlich? Der Hund hat nichts davon. Wie ­wäre ein einfühlsameres Feedback? Erster Satz: "Ich stelle mir das ganz schön traurig vor – für euch und für das Tier."

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Ich nehme mich seit 20 Jahren solcher ausrangierten Tiere - vornehmlich Hunde - an.

Was soll ich sagen?

Ja, ganz schön traurig.

Vor allem anderen für das ausrangierte Tier. Und auch für den neuen Besitzer, der es wirklich und endlich ernst meint mit dem Versprechen „für immer“.

Bevor das hier ein Roman wird, beschränke ich mich lieber auf dieses kurze Statement in der nie endenden Hoffnung, ein einziger Mensch hört mal darauf und denkt rechtzeitig (vorher) nach.

Herzlich, Sandra T.