Die Kirchen müssen Geld sparen. Und zwar drastisch. Um 8,5 bis 11,5 Prozent sinken die Kirchensteuereinnahmen dieses Jahr, schätzt Carsten Simmer, Leiter der Finanzabteilung im Kirchenamt der EKD. Grund: Der wirtschaftliche Einbruch wegen der Corona-Krise. Zwar vergehen immer zwei bis drei Jahre, bis die aktuellen Kirchensteuereinnahmen auch wirklich in den Kirchen ankommen, und damit auch die Rückgänge. Aber 2022 wird etwa ein Zehntel der bisherigen Einnahmen fehlen. Ein finanzielles Debakel mit Ansage.
Die gute Nachricht: Die Kirchen wissen schon lange, dass sie sparen müssen, und reagieren darauf. Zuletzt hatten im Jahr 2019 Freiburger Forscher prognostiziert, dass die Mitgliederzahl allein der evangelischen Kirche bis 2060 um die Hälfte sinken werde, auf 10,5 Millionen Protestantinnen und Protestanten deutschlandweit. Und entsprechend auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer. Daher hatte sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) längst vorgenommen, allein in den nächsten zehn Jahren 17 Millionen Euro weniger auszugeben als bisher.
Burkhard Weitz
Und noch eine gute Nachricht: Die evangelische Kirche will nicht einfach flächendeckend sparen, nach dem Prinzip: Jeder kriegt etwas weniger als vorher. Sondern sie geht von dem aus, was den Protestantismus auszeichnet: die Gottesdienstgemeinde, die Diakonie, die Bildung, die Kultur, und dass der Protestantismus in öffentlichen Debatten mitmischt, seine Stimme hörbar macht, auch sein Engagement für Frieden und Versöhnung. Erst auf dieser Grundlage wird entschieden: Was ist verzichtbar, was nicht, wenn der Protestantismus künftig so sein soll, wie wir ihn uns vorstellen?
Die dritte gute Nachricht: Die Kirche verabschiedet sich von ihrem hierarchischen Denken innerhalb eines Beamtenapparats. Sie versucht, eine Bewegung zu sein. Diesmal sollen möglichst viele mitentscheiden: Was sind unsere Prioritäten? Und worauf können wir am ehesten verzichten? Im Jahr 2006 war das noch anders. Damals hatte eine kleine Reformwerkstatt in Hannover eine Vision für den Protestantismus des Jahres 2030 entwickelt. Vieles davon verlief im Sande. Die Basis (und das waren vor allem die Landeskirchen) wollte es einfach nicht.
Auf keinen Fall sollte der liberale Protestantismus so bildungsfeindlich werden, wie die rechtskonservativen Evangelikalen in den USA
Klar, Bewegungen sind nicht so durchstrukturiert wie Beamtenapparate. Hier wird um Geld gekämpft. Und das führt zu Irritationen, Panikreaktionen und Empörung: Was, ihr wollt die Hochschulen für Kirchenmusik kaputtsparen? Was, ihr wollt der Aktion Sühnezeichen Geld kürzen? Noch wird gestritten. Abgestimmt wird später.
Gerade tagt die Synode der EKD, das höchste protestantische Parlament in Deutschland. Den Synodalen liegt bereits ein Entwurf vor, woran gespart und worein investiert werden könnte. Erst das nächste Kirchenparlament, das 2021 neu gewählt wird, entscheidet. Auf der bislang vorgeschlagenen Kürzungsliste stehen etwa das Konfessionskundliche Institut in Bensheim, die Johannes-a-Lasco-Bibliothek in Emden, die Evangelische Wittenbergstiftung und die Stiftung Luthergedenkstätten. Ebenso die Kirchlichen Hochschulen in Bethel-Bielefeld, Wuppertal und Neuendettelsau sowie die Kirchenmusikschulen.
Die Evangelen sparen an ihre Bildungseinrichtungen, rufen viele. Ja, es stimmt. Bildung und Kultur gehört zum Ureigensten des Protestantismus. Auf keinen Fall sollte der liberale Protestantismus so bildungsfeindlich werden, wie die rechtskonservativen Evangelikalen in den USA. Das wäre schlimm! Aber manches auf der Kürzungsliste braucht es dazu auch nicht unbedingt. Anderes wird schlanker funktionieren müssen, günstiger, bezahlbarer.
Wenn wir 2060 nicht ganz untergehen wollen, müssen wir profilierter werden
Gespart werden soll auch an der Seelsorge für die Bundespolizei und am Antisemitismusbeauftragten, so das bislang vorgelegte Papier. Auch die Aktion Sühnezeichen Friedensdienst muss Federn lassen. Und schon erheben sich die Stimmen der Synodalen, die sagen: Es müsse erkennbar bleiben, dass der Protestantismus in Deutschland für Frieden und Versöhnung steht. Ja, das soll es auch, beteuert der Ausschuss, in dem alle Überlegungen zusammenfließen. Wie das zusammengeht, das soll der Ausschuss bei nächster Gelegenheit präzisieren. Die Debatten sind anstrengend aber nötig.
Am Ende werden die vielen Landeskirchen einsehen müssen: Wenn wir 2060 nicht ganz untergehen wollen, müssen wir profilierter werden, schlanker und vernetzter. Einen Provinzialismus, in dem jeder seine eigene Digitalstrategie entwickelt, und Institutionen, die keiner kennt und deren Publikationen nur einem winzigen Publikum zugänglich sind – so etwas kann man sich schon jetzt nicht mehr leisten. Aber auch diese Einsicht kann nicht verordnet werden. Sie muss von unten kommen.
" Kirche ( und ) Zukunft "
Wie viel Evangelium steckt noch in einer Kirche, deren Präsenz in der Öffentlichkeit bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wird ?
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Unverständlicher Satz
Was genau meinen Sie damit? Wer verzerrt welche Präsenz "bis zur Unkenntlichkeit"?
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