Johanna Bernstengel
Johanna Bernstengel, Stadtjugendpfarrerin in Jena
Thomas Stridde/Thüringische Landeszeitung
"Rechte und Linke gleichermaßen als Extreme einzuschätzen, ist eine große Gefahr"
Die Jenaer Stadtjugendpfarrerin über die Frage, ob die Wahl von Thomas Kemmerich die Gesellschaft in Thüringen weiter spaltet.
Tim Wegner
07.02.2020

Johanna Bernstengel ist seit vergangenem Herbst Stadtjugendpfarrerin in Jena. Ihr Vorgänger, Lothar König, hatte sich durch sein Engagement gegen rechts bundesweit einen Namen gemacht. Thüringen ist – mit Blick auf die Bedrohung der Demokratie von rechtsaußen – ein besonderes Land. 1930 wurden die Nazis hier erstmals in der Weimarer Republik an einer Landesregierung beteiligt. Nach dem Fall der Mauer war Thüringen Ausgangspunkt einer rechtsterroristischen Mordserie. Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die Mitglieder der Terrorzelle NSU, sind in Jena aufgewachsen und haben sich in der Universitätsstadt radikalisiert.

Frau Bernstengel, was dachten Sie, als Sie hörten, dass Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt worden war – mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD?

Johanna Bernstengel: Ich war empört. Die FDP lag 73 Stimmen über der Fünf-Prozenthürde. Bodo Ramelow vertritt dagegen ein Drittel der Stimmen. Ich bin massiv enttäuscht von jedem einzelnen Abgeordneten der FDP und auch der CDU, die Ramelow unbedingt verhindern wollten und die dafür diesen Tabubruch in Kauf genommen haben. Was mir Mut macht: Noch am Mittwochabend fanden sich in Jena 2000 Menschen zu einer Demonstration gegen diese Wahl zusammen – spontan, mitten in der Woche. Ich war auch dort, ganz bewusst im Kollar, weil ich nicht nur als Bürgerin, sondern auch als Pfarrerin ein Zeichen setzen wollte. In Thüringen haben Nazis schon mal den Versuch gestartet, ob sie mehrheitsfähig sind.

Thomas Stridde

Johanna Bernstengel

Johanna Bernstengel ist seit Herbst 2019 Stadtjugendpfarrerin in Jena

Sie spielen auf eine Wahl von 1930 an. Wiederholt die Geschichte sich?

So will ich nicht denken, das wäre Fatalismus! Dann könnten wir nichts tun, wenn sich alles zwangsläufig wiederholt. Ich finde die Formulierung besser, dass die Geschichte sich zu wiederholen droht. Wir können uns ja dagegen wehren, dass es passiert.

Wie nehmen Sie als Neuzugezogene die Stimmung in Thüringen wahr, wie tritt die AfD hier auf?

Ich habe von 2011 bis 2014 schon hier gelebt und Theologie studiert. Ich kann sagen: Der Bruch ist seitdem vollzogen. Freunde von damals, die sich heute zur AfD bekennen, grüße ich höflich auf der Straße, das war’s. Mein eigenes Umfeld hat wenig mit der AfD zu tun. So geht es hier vielen Menschen. Es gibt aber eine Spaltung, die auch in der Kirche sichtbar wird.

Inwiefern?

Als Stadtjugendpfarrerin bin ich sonntags ja auch ganz normale Kirchgängerin. Von den Kanzeln höre ich hier klare Worte Richtung AfD, ablehnende Worte. Die Haltung der Kirche ist deutlich, die Warnungen vor den Rechten sind es auch. Aber von Gemeindegliedern höre ich zunehmend, dass sie Rechte und Linke in einem Atemzug nennen und gleichermaßen als Extreme einschätzen. Das ist eine große Gefahr.

Warum?

Es droht eine Entsolidarisierung mit denen, die sich klar gegen rechts wehren. Denen unterstellt man, selbst auch gefährlich zu sein – und diskreditiert sie als Chaoten. Was ich dieser Tage in den Kommentaren in den sogenannten sozialen Netzwerken schon an menschenverachtendem Äußerungen lesen musste, ist erschütternd. Als wäre Bodo Ramelow eine Gefahr für die Demokratie, das ist doch Quatsch! So ein Denken macht aber den Raum für die Rechten in der Mitte frei. Und genau deshalb war die Wahl Kemmerichs mit AfD-Stimmen so verheerend. FDP und CDU haben das Feindbild Linke gepflegt und so zur Normalisierung einer Partei beigetragen, die – gerade in Thüringen – rechtsextrem ist. Da hilft es auch nicht, dass Kemmerich nun einen Rückzieher macht. Es geht um das Zeichen, das nie hätte gegeben werden dürfen. Das kann die gesellschaftliche Stimmung noch verschlechtern. Es ist ja heute schon möglich, sich öffentlich schamlos rassistisch zu geben. Umso wichtiger ist es, dass die Kirche klar Farbe bekennt.

Warum ist das wichtig?

Jesus hat mir die Nächstenliebe nicht nur empfohlen – er hat sie befohlen. Er hat nie gesagt: Ich liebe die Deutschen mehr als die Anderen. Eine Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit Schwachen umgeht. Und gemessen daran, wie Geflüchtete in Deutschland abgewertet werden, sind wir leider keine gute Gesellschaft. Diejenigen, die hier Hilfe suchen, werden instrumentalisiert. Man hetzt die Menschen, denen es hier schlecht geht - zum Beispiel diejenigen, die hier Anfang der Neunziger mit falschen Versprechungen betrogen worden sind und Langzeitarbeitslose und Niedriglöhner – gegen die auf, die fliehen mussten. Das ist gefährlich. Feindbilder haben nie zu etwas Gutem geführt, sie widersprechen der Nächstenliebe.

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Ist alles so einfach? Rechts ist der braune AFD-Sumpf, die organisatorische Hölle. Links ist das Heil, die schrankenlose Brüderlichkeit. So einfach haben es sich die realitätsfernen Linksintellektuellen jahrelang gemacht. Aber wir haben nicht nur die total unbelehrbaren Nazis, wir haben auch die LINKS-Chaoten, an deren Demonstrationen die versammelten Linken gerne an vorderster Front mit marschierten. Die Rote Zora blieb unbehelligt, Hamburg (G8-Gipfel) war aus Naivität möglich, in Berlin können kriminelle Banden und die Linkschaoten nahezu unbehelligt wüten. Warum wohl? Weil für sie immer wohlmeinende brüderliche Ausreden gefunden wurden. Und mit den Forderern nach Recht und Ordnung wurden dann auch die Konservativen in die gleiche Richtung gedrängt. Diese Grundeinstellung von SPD, GRÜNE und LINKEN hat Wähler zur AFD getrieben. Wer hat denn bundesweit die Ordnungskräfte gnadenlos reduziert, die Landesverteidigung geschwächt? Tschäpe und Konsorten waren doch nur möglich, weil die Länder organisatorisch nicht in der Lage und bereit waren, an einem Strang zu ziehen. Es hätte ja die eigene Farbe treffen können. Jahrzehntelang haben besonders die linken Länderregierungen diese Politik betrieben. In das dadurch entstandene Rechts- u. Ordnungs-Vakuum --ob bestehend oder nicht, so wird es jedenfalls von vielen Wählern wahrgenommen und zu verantworten ist es vorrangig von SPD und GRÜNE-- ist die AFD gestoßen. Und jetzt wird hierfür nach Schuldigen gesucht. Und die Kirchen winden sich mit dem christlichen Begriff und dem Wert von Nächstenliebe. Das eigene Haus ist eine Tabuzone.

Verehrter Herr Ockenga,

im Regelfall werden Sie nicht müde, eine angebliche Verquickung von Politik und Religion zu geißeln. Jetzt schreiben Sie selber einen flammenden Kommentar gegen alles, was Ihrer Vorstellung nach links von dem ist, was Sie gerne als Konservatismus bezeichnen möchten. Im vorletzten Satz tritt dann die christliche Nächstenliebe auf dem Schlachtfeld auf. Das ist jetzt also keine Verquickung? Verstehe ich das richtig?

Fritz Kurz

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Völlig ahistorisch werden von Frau Bernstengel im Zusammenhang mit der AfD Nazi-Vergleiche bemüht. Dem linken Rand des politischen Spektrums hingegen spricht sie jedwedes Gefahrenpotential für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ab. Klar, dass sich jemand, der den Antitotalitarismus als eine Fundamentalnorm der Bundesrepublik und unserer liberalen Demokratie nicht anzuerkennen scheint, über den Ausgang einer Wahl, bei der die Mandatsträger nicht an Aufträge und Weisungen gebunden, sondern nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen sind, empört zeigt. Dieses Gebaren ist nach meiner Auffassung in höchstem Maße undemokratisch und besorgniserregend.

"sondern nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen sind" schrieb m.schneider, mutmaßlich Herr Prof. Dr. Thomas Martin Schneider. Die sich selbst als bunt bezeichnenden Parteien legen großen Wert auf ihre Behauptung, sie wären grundsätzlich etwas anderes als die neue ungeliebte Konkurrenz um Wählerstimmen. Diese sich selbst als Alternative bezeichnende Partei legt ebenso großen Wert auf ihre Behauptung, sie wäre grundsätzlich etwas anderes als die ungeliebte Konkurrenz der System- oder Altparteien.

Es wird also von beiden Seiten behauptet, man unterschiede sich gewaltig von den jeweils Anderen. Trifft das wirklich zu? Wenn die AfD-Abgeordneten des thüringischen Landtags den Kandidaten der FDP wählen, dann verfolgen sie damit eine politische Absicht. Dabei kann offen bleiben, ob schon jetzt der Griff nach der Majorität geplant war oder es vorläufig darum ging, die politische Konkurrenz zu spalten und vorzuführen. Diese politische Absicht damit zu erklären, da habe das Gewissen in beeindruckendem Gleichklang geschlagen ist allerdings keine Groteske, die eine Spezialität der AfD wäre. Diese Überhöhung politischer Machtkalküle in die luftigen, schwammigen Höhen des Gewissens beherrschen die Bunten seit Jahrzehnten ebenso gut.

Also von wegen Alternative.

Friedrich Feger

<Friedrich Feger> schrieb: "mutmaßlich Herr Prof. Dr. Thomas Martin Schneider"
Nein, der bin ich nicht.

In meinen Erwiderungen zitiere ich nachfolgend aus meinem Kommentar auf evangelisch.de (https://www.evangelisch.de/comment/101312#comment-101312):

<Friedrich Feger> schrieb: "Wenn die AfD-Abgeordneten des thüringischen Landtags den Kandidaten der FDP wählen, dann verfolgen sie damit eine politische Absicht."
Gewiss taten sie das. Tun das nicht alle Abgeordneten?! Ich mutmaße: Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten abzuwählen, war die politische Absicht. Warum sich dann bei einer demokratischen Wahl in Anbetracht der geringen Wahrscheinlichkeit auf Erfolg des eigenen Kandidaten nicht für den nächstbesten entscheiden?

<Friedrich Feger> schrieb: "Dabei kann offen bleiben, ob schon jetzt der Griff nach der Majorität geplant war oder es vorläufig darum ging, die politische Konkurrenz zu spalten und vorzuführen."
Zur Erinnerung: >>Art. 38 Absatz 1 Satz 2 GG verleiht dem Abgeordneten eine rechtliche Sonderstellung, die ihn berechtigt, parlamentarische Tätigkeit frei von Beeinträchtigungen durch Dritte auszuüben. Weiterhin ist er bei der Wahrnehmung seines Amts weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden, sondern lediglich seinem Gewissen unterworfen. Dies wird in der Rechtswissenschaft als freies Mandat bezeichnet.<<
Das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl lautete: Kemmerich 45 Stimmen, Bodo Ramelow 44 Stimmen. Schlichtweg ein Mehrheitsentscheid. Demokratisch eben. Von "spalten" und "vorführen" kann doch nur sprechen, wer unsere liberale Demokratie nicht begriffen hat. Die Nichtanerkennung des Ergebnisses eines Mehrheitsentscheids und die Forderung nach Neuwahlen bis zum Eintritt eines gewünschten Resultats ist nicht demokratisch, sondern totalitär und willkürlich.

Zitate jeweils von M.Schneider: "Schlichtweg ein Mehrheitsentscheid. Demokratisch eben." Ein demokratischer Mehrheitsentscheid, ohne Frage. Wie auch der Entscheid vom 24.3.1933 für das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich ein Mehrheitsentscheid war. Schlichtweg war an beiden Mehrheitsentscheidungen allerdings nichts. Beide Entscheidungen waren gewollt und bedeutsam. Wer hier jeweils was wollte, ist der entscheidende Punkt, nicht, dass es sich um Mehrheitsentscheidungen handelte.

"Die Nichtanerkennung des Ergebnisses eines Mehrheitsentscheids". Kein Mensch hat die Wahl des Hernn Kemmerich zum Ministerpräsidenten nicht anerkannt. Wie kommen Sie denn darauf? Er hat sogar einen Blumenstrauß von der Fraktionsvorsitzenden der Linken bekommen. Nicht an die Hand gereicht, sondern vor die Füße geworfen. In Ausübung des Freien Mandats eben.

"...Forderung nach Neuwahlen bis zum Eintritt eines gewünschten Resultats ist nicht demokratisch, sondern totalitär und willkürlich." Wie bitte? Die Forderung nach Wahlen soll undemokratisch, totalitär und willkürlich sein? Der mit den Stimmen der AfD gewählte Herr Ministerpräsident hat nach allen Regeln der demokratischen Kunst seinen Rücktritt erklärt. Ob es zur Neuwahl eines Ministerpräsidenten und/oder des thüringischen Landtages kommt, hängt ganz davon ab, was die Damen und Herren Abgeordneten von AfD, FDP, CDU, SPD, Grünen und Linken in Ausübung ihres Freien Mandates und in Verfolgung ihrer jeweiligen politischen Absichten beschließen.

"Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten abzuwählen, war die politische Absicht." Zweifelsohne war auch das Teil der politischen Absichten. Und in Verfolgung dieser Absicht haben CDU und FDP mit der AfD an einem Strang gezogen. Und jetzt müssen CDU und FDP ihrer treuen Gefolgschaft erklären, warum das trotzdem eine ganz raffinierte Form der Nichtzusammenarbeit mit der AfD war. Die AfD kann darauf vertrauen, dass ihre Klientel schon selber sehr genau weiß, "wer unsere liberale Demokratie nicht begriffen hat".

Friedrich Feger

"Wer hier jeweils was wollte, ist der entscheidende Punkt, nicht, dass es sich um Mehrheitsentscheidungen handelte." Der Nazi-Vergleich ist ahistorisch und unhaltbar und wenn er auch von linker Seite noch so oft bemüht wird. Mutmaßlich wollten die Mandatsträger die Wiederwahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten verhindern. Ihre Sache. Freie Entscheidung. Mehrheitsbeschluss. Demokratisch. Was ist für Sie daran bitte so schwer zu verstehen?

"Kein Mensch hat die Wahl des Hernn Kemmerich zum Ministerpräsidenten nicht anerkannt. Wie kommen Sie denn darauf?" Ernsthaft? Von den Protesten gegen und gewaltsamen Übergriffen auf beteiligte Politiker im Nachgang der Wahl mal ganz abgesehen... "Es handele sich um einen "unverzeihlichen Vorgang", der "mit Grundüberzeugungen gebrochen habe - für die CDU und für mich", sagte Merkel bei einem Staatsbesuch in Südafrika. Die Wahl müsse rückgängig gemacht werden, forderte die CDU-Politikerin. Ihre Partei dürfe sich so nicht an der Thüringer Regierung beteiligen." (https://www.tagesschau.de/inland/thueringen-kemmerich-merkel-101.html) Und mit dieser Forderung stand sie nicht allein auf dem politischen Feld.

"Wie bitte? Die Forderung nach Wahlen..." Zitieren Sie bitte richtig. Ich schrieb von Neuwahlen. Eben weil einigen das Resultat nicht passte. Siehe oben. Herr Kemmerich nahm seine demokratische Wahl zum Ministerpräsidenten an. Den Rücktritt erklärte er nach Ausübung enormen Drucks derjenigen, die scheinbar mit der libarlen Demokratie nich ganz klar kommen und das Resultat nicht anerkennen wollten.

Welch treffliche Gründe Ihnen auch immer nach Ihrer Auffassung von Demokratie für eine Verweigerung der Zusammenarbeit genannter Parteien einfallen mögen, fest steht: Wer fordert, eine demokratisch legitimierte Partei, egal wie er zu deren Ansichten stehen mag, in ihre Schranken zu weisen, ist ein Anti-Demokrat! Was er fordert, spiegelt das Wesen totalitärer Regime, nicht aber das einer liberalen Demokratie wider.

Antwort auf von m.schneider (nicht registriert)

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Versuchen Sie bitte, sich den Unterschied zwischen Anerkennung und Beifall klar zu machen. Es ist nicht sehr schwer. Bei Ihnen geht das bis jetzt noch komplett durcheinander.

Einen Wahlsieger nicht anzuerkennen bedeutet, zu behaupten, er habe die Wahl nicht gewonnen. Berühmtes Beispiel dafür war der Streit zwischen den Herren George W. Bush und Albert Gore im US-Bundesstaat Florida bei den Präsidentschaftswahlen 2000.

Scharf zu trennen von der Anerkennung ist die Frage des Beifalls, den ein anerkannter Wahlsieger einheimst oder eben auch nicht. Niemand, auch nicht Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, hat je behauptet, Herr Kemmerich wäre nicht der Sieger der Wahl gewesen. Sie fand das anerkannte Ergebnis allerdings nicht zum Beifall anspornend.

Ist das jetzt klar? Undemokratisch wäre es, von einem nach demokratischem Ritus installierten Häuptling zu behaupten, er wäre nicht der Häuptling. Keineswegs undemokratisch ist es, danach zu trachten, einen Wahlsieger bei nächstbester Gelegenheit aus seinem Amt zu entfernen. Im Gegenteil, auf dieses Prozedere ist die Demokratie sogar irre stolz. Weil ein demokratisch legitimierter Herrscher auch wieder mit demokratischen Mitteln durch einen anderen Herrscher - gerne auch weiblich - ersetzt werden kann, wird der interessierten Lüge geglaubt, demokratische Herrschaft sei gar nicht knallharte Herrschaft.

Weil jeder Demokrat weiß, dass der politische Gegner ihn so bald wie möglich wieder los werden will, bildet er Koalitionen oder sorgt für Mehrheiten. Wer das nicht hinbekommt, hat schon vor Ablauf der Standardfrist den Sessel zu räumen. Wer es bei diesem Zirkus besonders weit treibt wie es AfD, CDU und FDP soeben in Thüringen vorgemacht haben, landet dann im Guinness-Buch der Rekorde mit der kürzesten Amtszeit eines bundesrepublikanischen Ministerpräsidenten. Pech gehabt.

Also von wegen undemokratisch. Im Gegenteil: Demokratie wie sie leibt und lebt. Ohne Freies Mandat könnte diese Nummer überhaupt nicht laufen.

Noch kurz zu Ihren weiteren Punkten. "Zitieren Sie bitte richtig." Ich habe Sie nirgendwo falsch zitiert. Und dort, wo ich Sie nicht zitiert, sondern paraphrasiert habe (Unterschied bekannt? Wenn nicht, googeln!), habe ich Ihre Aussage nicht sinnentstellt. Auch Neuwahlen sind Wahlen. Oder nicht?

"Ihre Sache. Freie Entscheidung. Mehrheitsbeschluss. Demokratisch." Das hatten Sie dem Sinne nach bereits geschrieben. Und ich hatte bereits erwidert mit "Ein demokratischer Mehrheitsentscheid, ohne Frage." Was haben Sie daran nicht verstanden, so dass Sie den Eindruck bekamen, ich hätte Sie nicht verstanden? Unnötige Wiederholungen immer desselben möglichst vermeiden!

Friedrich Feger

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Strikte Ablehnung eines Totalitarismus in jeder Form war bisher unbestrittener Konsens aller Demokraten. Offenbar wird dieser Konsens jetzt in der Kirche ersetzt durch einen "Anti-Faschismus" kommunistischer Provenienz.
Jedenfalls ist das Verhalten der Pfarrerin ein gutes Beispiel dafür, wie - zumindest in formaler Hinsicht - gebildetete Menschen Andersdenkende stigmatisieren und ausgrenzen.

"Strikte Ablehnung eines Totalitarismus in jeder Form war bisher unbestrittener Konsens aller Demokraten." In der Tat. Die Gleichung Kommunismus = Faschismus = böse war der Kalte-Kriegs-Schlager schlechthin. Diese totalitäre Ablehnung aller Kritik an der demokratischen Form der Herrschaftsausübung einte bürgerliche und sozialdemokratische Agitprop.

Da das Böse im Osten erledigt ist, verliert dieser vorsätzlich begriffslose Unsinn namens Totalitarismus- oder Extremismustheorie etwas an Funktionalität. Wenn brauner Populismus neuerdings als Tabu angesehen werden soll und allen Ernstes von Tabubruch gesprochen wird, wenn einige schon jetzt statt erst später mit der AfD koalieren wollen, dann wurde eben eine Begriffslosigkeit durch die nächste ersetzt. Und die Verwechslung von antifaschistischer Kritik mit Tabupflege reiht sich würdig in dieses Denken ein.

Fritz Kurz

Antwort auf von Fritz Kurz (nicht registriert)

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Da Sie den Begriff "Agitprop" bemühen, können Sie bitte gleich mal erklären, inwiefern sich die von Ihnen verwendeten Termini "brauner Populismus" (Brückenschlag zum Nationalsozialismus) und "antifaschistische Kritik" (Brückenschlag zum Faschismus) von besagter Propaganda kommunistischen Ursprungs unterscheiden.

Antwort auf von m.schneider (nicht registriert)

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Werter Herr Schneider,

der Begriff Agitprop macht Pein? Das muss nicht sein. Ersetzen Sie ihn durch den politisch korrekten Ausdruck "staatsbürgerlicher Bildungsauftrag der politischen Parteien". Der meint dasselbe.

Agitprop ist die Abkürzung für Agitation und Propaganda. Was den "Brückenschlag zum Nationalsozialismus" betrifft: Der ist schnell erledigt. Suchen Sie mal auf den einschlägigen Internetseiten einer besonders in Thüringen vertretenen Parteiströmung nach "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!". Sitzen Sie am besten nicht der Behauptung auf, das sei von Theodor Körner. Ist es nämlich nicht. Dann suchen Sie den Autor von "Nun Volk steh auf und Sturm bricht los!" Der hatte als offizielle Amtsbezeichnung "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda".

Ich hoffe, ich konnte Ihnen den Brückenschlag von Propaganda zu Propaganda erleichtern.

Fritz Kurz

Antwort auf von Fritz Kurz (nicht registriert)

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Selbstkritik ist mindestens so schlimm wie Agitprop. Ich übe hiermit Selbstkritik. Die Liedzeile "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los" findet sich in einer Nachlassausgabe zu Körners Werk:
http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/koerner_leyer_1814?p=90
Was die Rechten dem Körner in diesem Zusammenhang unterschoben, kann hier nachgelesen werden:
https://www.diss-duisburg.de/2016/11/zur-ns-rhetorik-des-afd-politikers-bjoern-hoecke/

Fritz Kurz

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"Freunde von damals, die sich heute zur AfD bekennen, grüße ich höflich auf der Straße, das war’s."

Ja genau. Wenn diese AFD Anhänger es nicht schaffen zu gunsten der Pfarrerin zu lügen, dass sie noch alte nette Blockparteien (SPD, CDU usw.) wählen und alle "Flüchtlinge" toll finden, dann hat die Pfarrerin ja jedes Recht, ihnen die Freundschaft zu entziehen.

Fazit also: Lieber Lügen hören, die einem passen; als Kontakt mit Menschen die ehrlich mit einem sind.

(Gutbürgerlich links, denn da mag man ja so gerne mit "Gutem" gefüttert werden. Ja wir sind die Guten. Wir sind die Guten. Wir sind die Guten. Nur meine Meinung ist richtig. Nur meine Meinung zählt. Nur meine Meinung darf man haben. Nur meine Meinung kann ich akzeptieren.)

"....als Kontakt mit Menschen die ehrlich mit einem sind." Darf ich Ihnen, geehrter Herr Udo, auf diese Ihre Kontaktanzeige auf dem Weg des Leserkommentars antworten? Meine Ehrlichkeit führt dazu, dass mir bei einem AfD-Anhänger nicht als erstes ein freundlicher Gruß, sondern eine Kritk seiner AfD-Anhängerschaft in den Sinn kommt.

Mit freundlichem Gruß

Max Zirom

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Frau Bernstengel verweigert den Diagolg mit ehem. Bekannten, die AfD wählen, sie ist empört über Gemeindemitglieder, die nicht nur Rechtsextreme, sondern auch Linksextreme für gefährlich halten. Da Stalin, Mao und PolPot zusammen 60-100 Mio Menschen auf dem Gewissen haben, nehme ich mit die Freiheit, auch weiterhin beide Extreme für gefählich zu halten. Auch bleibt die Kirche eine Antwort schuldig, warum man z.B. den IS-Terroristen mit Liebe gegegnen soll, aber nicht AfD-Mitgliedern. Wahl Thüringen: der CDU wird letztendlich vorgeworfen, nicht Herrn Ramelow gewählt zu haben.
Frau B. sollte sich ernsthaft Gedanken machen, ob sie im Falle einer großen Operation die Gabe von Fremdblut ablehnen sollte. Wenn in Thüringen über 20 % AfD gewählt haben, ist die Gefahr groß, dass die Blutspende AfD-Blut
enthält. (Ich bin übrigends überzeugter Wechselwähler und es ärgert mich, dass Kirchenfürsten zu linker Gewalt schweigen und sich nicht deutlicher für verfolgte Christen in China und islamischen Staaten einsetzen).