Atomwaffen verbieten – was bringt das?
dialogue versus nuclear war concept
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Atomwaffen verbieten – was bringt das?
Im August erlosch der INF-Vertrag zwischen den USA und Russland über nukleare Mittelstreckenraketen. Experten warnen vor neuem Wettrüsten.
Tim Wegner
10.09.2019

chrismon: Was genau regelte der INF-Vertrag?

Alex Rosen: Er verbot landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges bauten die USA mehr als 800, die frühere Sowjetunion mehr als 1800 dieser Raketen ab.

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Dr. med. Alex Rosen

Dr. med. Alex Rosen ist 1. Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die ­Verhütung des Atomkrieges. Er ist Vater zweier Kinder und ­arbeitet als Facharzt für Kinder- und Jugend­medizin in ­Berlin.
Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Der Kalte Krieg ist lange her.

Es gibt aber keinen Grund, sich zurückzulehnen. Die Bedrohung in Europa ist heute größer als zu Zeiten des Kalten Krieges. Gegen den Geist des INF-Vertrages wurde schon länger verstoßen, sehr wahrscheinlich von beiden Seiten. Bei einem Angriff mit Mittelstreckenraketen bleibt kaum Zeit, um zu prüfen, ob es sich um einen Fehlalarm handeln könnte. Ohne den Vertrag droht nun ein richtiges Wett­rüs­ten. Und es gibt ganz neue Risiken: Cyberterrorismus beispielsweise. Und die Möglichkeit, dass nichtstaatliche Akteure Kontrolle über Spaltmaterialien erhalten.

Wer ist schuld, dass wir uns heute wieder Sorgen ­machen müssen – Russland, die USA, die NATO?

Der größte Fehler war, am Ende des Kalten Krieges die Chance verstreichen zu lassen, eine nachhaltige Friedens­ordnung zu errichten und Atomwaffen völkerrechtlich zu ächten. Die NATO hatte mit dem Warschauer Pakt ihren Gegner verloren. Aber sie hat sich neue Aufgaben gesucht und sich bis an die Westgrenze Russlands erweitert. Dies musste früher oder später eine russische Reaktion hervorrufen, wie wir sie jetzt auf der Krim und in der Ostukraine sehen. Aber das ist ja genau der Punkt: Das Risiko, die Welt zu vernichten, darf nicht in Händen einzelner Menschen wie Trump oder Putin liegen. Deshalb ist der Prozess der völkerrechtlichen Ächtung von Atomwaffen so wichtig.

Worum geht es dabei?

Um den Atomwaffenverbotsvertrag, den 122 UN-Mitgliedsstaaten 2017 in New York beschlossen haben. Der Vertrag verbietet es, Atomwaffen zu entwickeln, zu be­sitzen, zu stationieren oder mit ihrem Einsatz zu drohen. Wenn 50 Staaten den Vertrag ratifizieren, wird er Teil des Völkerrechts. Derzeit haben dies schon 25 getan.

Würden Trump oder Putin sich daran halten?

Das wäre eine naive Vorstellung. Nein, die Welt wäre natür­lich nicht sofort frei von Atomwaffen. Aber Investi­tionen in Entwicklung und Modernisierung der Arsenale würden erschwert, Geld würde aus Rüstungsfirmen ab­gezogen werden. Und die Zivilbevölkerung hätte ein scharfes Argument für den Abzug von Atomwaffen in der Hand. Es wäre der Start eines langen, aber vielver­sprechenden Weges hin zu einer atomwaffenfreien Welt.

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Selten so einen seichten und tendenziösen Beitrag gelesen :
Der sog. Atomwaffenverbotsvertrag von 2017 hat, auch wenn er "Bestandteil des Völkerrechts" werden sollte, nur Geltung für die Staaten, die ihn ratifiziert haben - also nur für die " atomaren Habenichtse". Trump und Putin brauchen sich nicht nur nicht an ihn zu halten, sie brauchen ihn nicht einmal zu ignorieren .... Der Vertrag hat ungefähr die gleiche Bedeutung, als wenn die Veganer sich verpflichten, niemals mehr Fleisch zu essen - also einen sehr überschaubaren Sinn ....
Die Kritik von Herrn Dr. Rosen an der NATO greift - gelinde gesagt - sehr kurz. Die sog. Osterweiterung der NATO erfolgte im Zusammenhang mit dem Entstehen von neuen,selbstständigen Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.Letztere hatten sehr gute Gründe, sich dem westlichen Bündnis anzuschließen, für das gerade wir Deutsche volles Verständnis haben sollten. EIne militärische Bedrohung Rußlands hat es bis heute zu keinem Zeitpunkt gegeben. Eigentlich findet man die "Putin-Versteher", welche die die russischen Aggressionen gegenüber der Krim und der Ukraine als eine Folge der Osterweiterung der NATO betrachten, eher bei der AfD ....
Im Übrigen, auch für die Politik der nuklearen Abschreckung,einschließlich der nuklearen Teilhabe der Bundesrepublik, gibt es gute Gründe , die hier jedoch noch nie dargestellt worden sind.