Mehr Aufklärung statt "Werbeverbot": Ende Januar hat der Bundesgerichtshof beschlossen, dass Lebendorganspender klagen können, wenn sie vor der Organentnahme nicht genügend aufgeklärt wurden und später gesundheitlich beeinträchtigt sind. So soll auch die Bereitschaft zu Spenden erhöht werden.
Dominique Bielmeier
Beim Schwangerschaftsabbruch ist es genau umgekehrt: Die Information ist den betroffenen Frauen nur auf umständlichem Weg zugänglich. Auch mit dem neuen Gesetzesentwurf zum Paragrafen 219a StGB, der "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, ist das kaum anders. Am Mittwoch soll er durch das Kabinett gehen. Wenn er auf diesem Wege doch nur irgendwo steckenbliebe!
Entschluss zum Abbruch steht schon vorher fest
Denn welches Frauenbild wird mit dem Paragrafen aus dem Jahr 1933 transportiert? Welche Schwangere ließe sich ernsthaft dafür "werben", sich ihr Kind nehmen zu lassen – wenn sie nicht vorher schon diesen schwierigen Entschluss gefasst hätte? Einen Entschluss, den auch mangelnde Information nicht mehr umkehren wird. Wenn Frauen sich aber nur umständlich über einen Abbruch informieren können, bedeutet das, dass sie sich möglicherweise einem medizinischen Eingriff unterziehen, dessen Folgen sie nicht richtig abschätzen können. Um die Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen zu senken, ist mehr Aufklärung nötig: über Sexualität, über Verhütung und auch über den konkreten medizinischen Eingriff und seine möglichen Folgen.
Aktualisierung: Am Mittwoch, 21. Februar 2019, hat der Bundestag dem neuen Gesetzesentwurf zum Paragraf 219a zugestimmt. 371 Abgeordnete stimmten dafür, 277 dagegen, vier enthielten sich.
Meinung Frau Bielmeier Paragraf 219a
Frau Bielmeier, zuerst eine Frage, sind Sie wirklich der Meinung, dass die Frauen keinen Zugang zu Informationen über Abtreibungen haben? Wie ich Ihre Meinung sehe, ist Ihnen ja auch das Frauenbild wichtig, dass zum Ausdruck kommt. Im Selbstversuch habe ich gerade im Internet schon alles mögliche über die verschiedenen Arten von Abtreibung zu lesen bekommen. Da frage ich, was haben Sie für ein Frauenbild, denken Sie die Frauen sind nicht in der Lage sich selbst zu informieren? Unser Paragraf 218 ist ein sorgsam austarierter Kompromiss, und ich bin froh, dass wir das in Deutschland so regeln konnten. Wenn man ehrlich ist, wird der Paragraf wesentlich weiter ausgelegt, als ursprünglich beabsichtigt, und ich denke, jede Frau kann ohne Probleme den Schein zur Abtreibung bekommen. Die Zahl von über 100.000 Abtreibungen im Jahr zeigt das. Dass es dieses Gespräch vorher braucht, ist ein Schutz des ungeborenen Kindes, aber auch der Frau, die ja sehr oft in einem großen Konflikt ist.
Nun geht es also um den 219a, gleich am Anfang Ihres Artikels großes Kino: Aufklärung bei Lebendorganspende, contra Aufklärung/Information zur Abtreibung, das ist so hanebüchen, dass ich es nicht weiter kommentiere.
Dann darf beim 219a natürlich nie der Bezug zum Jahr 1933 fehlen, ganz ehrlich, wie viele Gesetze aus dieser Zeit gelten wohl heute noch? Aber mit diesem Bezug ist ja schon mal alles klar.
Und zuletzt noch eine Frage, gehört zum Recht auf Aufklärung und den Folgen einer Abtreibung auch, dass man zum einen sieht, wie eine Abtreibung abläuft, und sich der Fötus wehrt? Und gehört auch dazu, dass über mögliche seelische Spätfolgen informiert wird? Oder würde das wieder Ihrem Frauenbild entgegenstehen. Wie ernst nehmen Sie die Frauen wirklich?
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Mehr Aufklärung statt "Werbeverbot" - Artikel v Frau Bielmeier
Liebe Frau Bielmeier, ich verstehe die ganze Aufregung um das angebliche "Werbeverbot" für Abreibung nicht. Jede Frau die eine Abtreibung vornehmen lassen möchte, muss zwangsweise und nachweislich vorher zu einer umfassenden Beratung mit staatlicher Qualitätsgarantie. "Werbung" fehlt hier nicht, sondern ist sogar Pflicht. Können Sie mir das bitte mal erklären, warum man hier noch zusätzliche Werbung braucht, die ohne Qualitätssicherung ist. Beste Grüße aus Meißen von Christof Voigt
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Werben für Abtreibungen?
Sehr geehrte Damen und Herren von Chrismon,
Sie bitten um Zusendung anderer Meinungen unter der Rubrik „Diskussionsbedarf“ im letzten Heft 4/19- was sehr begrüßenswert ist.
Sie boten als Themen u.a. „Babyklappe“ versus „vertrauliche Geburt“ – nun, als Gynäkologe und Oberarzt in verschiedenen Kliniken kann ich sagen, dass es differenzierter ist als einfaches Schwarz- Weiß Denken- für beides gibt es viele Pro- und contraargumente. Es wird immer Mütter geben, die mehr das ein oder mehr das andere bevorzugen, sicher ist es daher sinnvoll beides anzubieten.
Eher Diskussionsbedarf sehe ich in der Tatsache, dass Sie jemanden von profamilia ein Sprachrohr geben- einer insbesondere bei vielen Christen, Psychologen und Ärzten höchst umstrittenen Organisation, die leider allzuoft Ideologie vor Medizin und die tatsächlichen Nöte derer stellt, die Hilfe suchen und benötigen.
Die Mitarbeiterin von profamilia rät am Ende zu einer besseren Finanzierung der Beratungsstellen. Dazu frage ich mich zum einen, ob Chrismon überhaupt bekannt ist, wie viele christliche Beratungsstellen über ganz Deutschland verteilt gibt, die christliche Nächstenliebe für Betroffene- die Schwangere und ihr Kind- anbieten. Die aber aus Gewissensgründen an einer Scheinabgabe vor allem für die häufigsten „Indikation“ einer Abtreibung, der „Fristenlösung“, sowie „eugenischer“ vorgeburtlicher Selektion bei einer vermuteten Behinderung des Kindes nicht mitwirken können, die die Voraussetzung für die Vernichtung des noch nicht geborenen Kindes ist. Man kann hier sicher in der komplexen Frage zu sog. Konfliktschwangerschaften unterschiedlicher Meinung sein- jedoch gilt Toleranz leider nicht denjenigen gegenüber, die aufgrund ihres christlichen Glaubens beraten und helfen, jedoch nicht an der Scheinverteilung mitwirken. Denn jene Beratungsstellen sind von der großzügigen finanziellen Förderung kategorisch ausgeschlossen.
Wenn profamilia also mehr Finanzierung fordert, dann sollte dies in allererster Linie erst einmal denjenigen zugute kommen, die sich komplett ehrenamtlich und aufopfernd ohne jede staatliche Förderung um die Schwangeren und ihre Kinder kümmern. Dazu gehören hochqualifizierte Seelsorger, Psychologinnen, Ärztinnen und viele mehr- die häufig neben ihren Berufen in ihrer Freizeit anderen Menschen in Not dienen.
Auf einer anderen Seite in demselben Heft (S. 4) wird berichtet, dass der §219a aufgeweicht wird, aber selbst der gefundene Kompromiss scheint der Diakonie nicht radikal genug- so wird schon in der Überschrift „Risiko für Ärzte bleibt“ eine angebliche Not „der Ärzte“ gesehen, diskriminiert werden zu können- die Not betroffener Schwangeren und ihrer Kinder steht in diesem Artikel weit weniger im Fokus...
Dazu muß ich anmerken: Ich selber bin Arzt, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Wie viele Ärzte es in der Diakonie gibt, die die tatsächlichen Nöte der Ärzte kennen, weiß ich nicht. Und ja, ich wurde und werde in der Tat diskriminiert- jedoch anders als dieser Artikel glaubend macht, denn Grund der Diskriminierung ist weil ich als Christ nicht an Abtreibungen mitwirken kann und will. Dieses Weigerungsrecht ist in §12 SchKG eigentlich festgelegt- in der Praxis werden jedoch Schwestern, Pfleger, Hebammen oder Ärzte, die dies tatsächlich in Ansprung nehmen, in der Tat diskriminiert. Warum wird dies nicht in Chrismon erwähnt? Warum wird stattdessen Frau Hänel (Hausärztin, keine Fachärztin für Frauenheilkunde, bei welcher jedoch Werbung für Abtreibungen verständlich erscheint, denn wer käme auf die Idee, dass eine Augenärztin, ein Pathologe oder eine Hausärztin sich mit lukrativen Abtreibungen fachfremd Geld dazu verdienen will?) ausgerechnet in Chrismon erschreckend einseitig mit zahlreichen inhaltlichen Fehlern als „Retterin“ stilisiert?
Wie auch immer, Fragen über Fragen und viel Diskussionsbedarf. Zurück zum Thema: Wenn nun tatsächlich nicht mehr nur die von öffentlicher Hand finanziell unterstützen Beratungsstellen über die Möglichkeiten, wo eine Abtreibung durchgeführt werden kann informieren brauchen- sondern dieser „Dienst“ nun nach der durch manche politischen Gruppierungen einschließlich Frau Hänel erzwungene „Kompromiss“, dass Kliniken und Ärzte nun selber diese Informationen übernehmen, hat ja profamilia weniger Aufgaben. Daher könnte profamilia nun eher Geld abgeben- denen, die nicht so großzügig vom Staat gefördert werden. Und Chrismon täte gut daran, auch über Christen und ihre Dienste für andere differenzierter und ausgewogener zu berichten.
Vielleicht wollen Sie ja einmal zum „Marsch für das Leben“ im September in Berlin mitkommen, dem jährlichen Treffen zahlreicher Christen, die sich in gelebter Ökumene für Schwangere, noch nichtgeborene Kinder und Menschen mit Behinderungen einsetzen, und darüber ausgewogen und differenziert berichten?
Darauf hoffe ich !
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