chrismon: In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Elisabeth Lanz: Du kannst nicht leben, indem du das Leben vermeidest. Als ich diesen Satz vor Jahren hörte, war das für mich wie ein Weckruf. Man kann sich immer in irgendwelche Nischen zurückziehen, aber irgendwann wird man aufwachen und erkennen: Scheiße, ich habe gar nicht gelebt. Ich möchte aber ins Leben reingehen, selbst mit einer blutigen Nase, wenn es sein muss. Mich reizt das, was einen Schritt weiter ist als ich.
Was können Kinder von Kindern lernen?
Mein Vater hat ein SOS-Kinderdorf geleitet, ich bin dort aufgewachsen. Ich habe in dieser Zeit immer wieder erlebt, wie hilfsbereit, aber auch wie grob Kinder miteinander umgehen. Sie streiten sich, es kracht ordentlich, dann finden sie zueinander – oder sie sind bockig und sprechen nie mehr miteinander. Kinder müssen diese Erfahrungen machen, später ist es auch nicht anders.
Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Vor einiger Zeit habe ich einen Regenbogen gesehen, er war wunderschön. Ich meinte noch: Jetzt fehlt eigentlich ein zweiter Regenbogen. Und da kam er auch schon. Da dachte ich: He, lieber Gott, diese Kommunikation ist zu direkt, die macht mir ein bisschen Angst. Das war wie ein Wunder. Für mich gibt es einen Gott, das steht völlig außer Frage. Mein Vater war katholischer Priester gewesen, hatte sein Gelübde gebrochen und eine Familie gegründet. Nicht, dass es übermäßig fromm bei uns zugegangen wäre, aber Gott war immer da, in dieser Selbstverständlichkeit bin ich groß geworden. Haben wir beispielsweise über Politik gestritten, sind wir irgendwann doch bei der Bibel gelandet.
Elisabeth Lanz
Muss man den Tod fürchten?
Einen geliebten Menschen zu verlieren ist furchtbar, aber diese Abschiede haben mich immer auch beschenkt. Erst durch diese unmittelbare Konfrontation mit dem Tod habe ich begriffen, dass mein eigenes Leben endlich ist. Eigentlich weiß es jeder, aber das wirklich vom Herzen her zu begreifen, ist eine andere Sache.
Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?
Ich bin ein emotionaler Mensch. Wenn ich streite, kann es richtig krachen. War ich ungerecht, entschuldige ich mich. In erster Linie muss ich mir selbst verzeihen und kann nur beim nächsten Mal drauf achten, dass ich nicht wieder ausflippe und wieder so eine blöde Gans bin mit diesem schrillen Ton, ich mag das ja selber nicht. Hat mir jemand Schmerzen zugefügt, fällt es mir relativ leicht, das zu verzeihen. Ich bin kein nachtragender Mensch, das ist mir viel zu anstrengend. Es macht etwas mit mir, wenn ich nachtragend bin, das verhärtet mich. Ich habe das Bedürfnis, generell in einem Verzeihens-Zustand zu sein.
Was hilft in der Krise?
Dass ich in einem Loch hocke, gibt es schon, aber ich erlaube es mir nicht lange. Ich bin ein bisschen allergisch, wenn es heißt: Folge deinem Gefühl. Das glaube ich überhaupt nicht! Im Gegenteil, ich muss meine Gefühle in den Griff kriegen. Als mein Vater im Sterben lag, musste ich vor der Kamera lustige Szenen spielen, und ich habe gemerkt: Ich kann das. Ich kann mich entscheiden: Gehe ich in die Trauer und in den Schmerz, oder tue ich am Set so, als wenn nichts wäre. Ich bin diejenige, die das steuert. Aber der Glaube hilft mir in der Not auch. Ich bete dann, aber nicht im Sinne von: Lieber Gott, hilf mir. Es hat eher etwas damit zu tun, alles loszulassen. Die höchste Kunst des Betens ist für mich, innen ganz leer zu werden.
Hat das Leben einen Sinn?
Jeder Mensch bekommt seinen göttlichen Funken mit, doch der wird im Laufe seiner Erziehung allzu oft eingesaut. Ständig wird den Kindern gesagt, wie sie zu sein haben, was sie tun sollen. Ständig soll man sich anpassen. Als Erwachsener kann man diesen Funken wieder polieren. In seiner Antrittsrede hat Nelson Mandela gesagt: "Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit." Das gefällt mir als Idee, dass man leuchten darf und leuchten soll.