Eine Welt aus Streichhölzern
Ein Funke genügt, um diese Welt in Brand zu setzen
Foto: Istockphoto
Wo wirdʼs brennen?
Politische Konflikte haben Vorzeichen. Sie richtig zu deuten, könnte Eskalationen verhindern helfen
Tim Wegener
22.03.2016

chrismon: Genozide voraussagen – wie funktioniert das?

Jens Stappenbeck: Wir erfassen Massenverbrechen, teilen die betroffenen oder bedrohten Staaten in drei Stufen ein. Eine „Warnung“ sprechen wir aus für Länder, in denen Eskalationen von Gewalt zu befürchten sind, so in Myanmar, unter anderem aufgrund der anhaltenden Diskriminierung und Bedrohung der Rohingya durch buddhis­tische Nationalisten. Unter „Krise“ fassen wir Länder, wenn dort Verbrechen unmittelbar drohen, so im Jemen oder in Libyen. ­Länder im „Notstand“ sind solche, in denen Verbrechen begangen werden. Sudan ist ein Land im Notstand – so wegen der bewaffne­ten Konflikte und der Christenverfolgung.

Kann man ein Bürgerkriegsrisiko überhaupt konkret bewerten?

Ja. Momentan liegt die Genauigkeit der Vorhersagen bei 80 Prozent, was recht gut ist. Massenverbrechen sind erfreulicherweise sehr selten. Ihre Ursachen und deren Gewichtung sind aber teilweise noch unklar.

Wie beurteilen Sie die Wirkung der Vorhersagen?

Es ist im Nachhinein schwierig nachzu­weisen, ob es an der Warnung lag, wenn nichts passierte, oder nicht. Für Burundi gibt es etwa seit zwei Jahren Warnungen, unter anderem wegen brutaler Polizeieinsätze. Die Lage ist noch nicht völlig eskaliert. Liegt ­das nun an der Präventionspolitik, oder wäre das ohnehin nicht geschehen?

Wie ließe sich die Zuverlässigkeit Ihrer Voraussagen steigern?

Eine Treffsicherheit von 90 Prozent wäre ein enormer Schritt nach vorn. In der statis­tischen Risikoanalyse steckt erhebliches Potenzial. Vielversprechend scheint mir auch, die statistische Analyse und einen Pool aus Expertenmeinungen zu kombinieren.

Ermitteln Sie alle Daten selbst?

Wir verwerten anerkannte Analysen, etwa des Global Centre for the Responsibility to Protect in New York, die auf akute Fälle verweisen. Auch nutzen wir die Expertenmeinungen, die das United States Holocaust Memorial Museum sammelt. Dies errechnet zudem mit Hilfe eines selbstlernenden ­Algorithmus ein prozentuales Risiko für ­Massenverbrechen. Wir bündeln die Ana­lysen und reichern sie mit Berichten von Human Rights Watch und den UN an.

Wie weit wird man in zehn Jahren sein?

Es wird deutlich mehr Daten für Analysen geben. Ich hoffe, dass Expertenpools etabliert sind und stärkeres Vertrauen in Risikoanalysen herrscht. Und es ist nötig, die Prävention institutionell stärker zu verankern.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Und dann? Fuer Kenner eines Landes wie Scholl_Latour war das nie so schwierig. Zur Prophylaxe müsste man dann ja etwas tun. Die UNO etwa oder gar die unfähige EU? BEIDE SIND DANN DOCH EHER ein trauriger Lachkrampf. Was bringt es, etwas zu wissen ohne etwas tun zu können? Ausser einen schlechten Gewissen bringt das nichts.?

Antwort auf von Adam Mair (nicht registriert)

Permalink

Mit der Antwort ist aber leider immer noch kein Stein bewegt, geschweige denn eine Kugel aufgehalten. Die Antwort ist pure Kapitulation.

Permalink

Lieber Bruder in Christo, ist es uns Gläubigen denn grundsätzlich untersagt, zu kapitulieren? Es haben schon manche kapituliert, die einen solchen Gedanken zunächst voller Empörung zurückgewiesen haben. War da nicht 1945 mal so was? Mir ist jetzt allerdings überhaupt nicht klar, wieso meine Antwort eine Kapitulation darstellen soll, eine pure überdies. Mir ist nämlich nicht bekannt, dass ich mich mit irgendwem im Krieg befinden würde. Also helfen Sie mir bitte auf die Sprünge!
Falls Sie kein Liebhaber von Beten, Glauben, Lieben und Hoffen sind, brauchen Sie sich wegen mir keinen Zwang anzutun. Ich dachte nur, hier auf chrismon würde das eher zu den Tugenden zählen...
Mit evangelischem Gruß
Adam Mair