Perfide Tabubrüche
Frauke Petry und Donald Trump zielen mit Provokationen auf Wählerstimmen
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
11.02.2016

So dumm ist Frauke Petry nicht, dass sie ohne nachzudenken und ohne Berechnung in einem Zeitungsinterview raushaut: Polizisten müssten, um illegale Grenzübertritte von Flücht­lingen zu verhindern, „notfalls auch von der Schusswaffe ­Gebrauch machen. So steht es im Gesetz.“ Das war keine spontane, undurchdachte Seitenbemerkung – in ihrem poli­tischen Umfeld war das schon einige Zeit Thema: Ihr Lebenspartner und Berater, der Europa-Abgeordnete und AfD-Vor­sitzende Nordrhein-Westfalens, Marcus Pretzell, hatte zuvor ebenfalls von einem Schusswaffeneinsatz gesprochen.

Nachdem Petry Entrüstung für ihren menschenverachtenden Vorschlag geerntet hatte, gab sie sich als missverstandenes Medienopfer aus. Hatte Petry nicht vor dem Druck des Interviews jedes Wort autorisiert? Das hatte sie. Der Chef­redakteur des „Mannheimer Morgens“, Dirk Lübke, äußert sich verärgert: „Die perfide Tabubrecherin Petry stilisiert sich gerade zum kleinen, ahnungslosen Mädchen, was nicht ­wusste, was es gesagt hat.“

Tabubrüche sind keine Spezialität der AfD. Wenn es an fundierten politischen Analysen und Programmen mangelt, ver­suchen Populisten aller Art, Emotionen zu wecken, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Das hat in Deutschland (nicht nur im Osten) schon immer funktioniert: Im Kalten Krieg haben BRD-Politiker jahrzehntelang statt nüchterner Sicherheitsanalysen Bedrohungsszenarien entwickelt. Die kommunistische Unterwanderung war eines ihrer Lieblingsthemen. Und heute: Da sind „islamische Überfremdung“ und die „Ausbeutung der Sozialsysteme“ der Stoff, aus dem die Träume sind. Besonders ärgerlich, wenn sie von Christinnen wie Beatrix von Storch und Frauke Petry geträumt werden. Aber eine Ausländerpolitik mit Schusswaffen ist mit dem christlichen Glauben nicht zu vereinbaren, betonte der Berliner Bischof Markus Dröge. Mit Recht.

US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump versucht ­Wähler zu gewinnen, indem er verschärfte Folter und ein Einreiseverbot für Muslime verspricht. Damit kommt er in die Fernsehnachrichten, aber vermutlich nicht ins Oval Office. Hoffen wir, dass auch die deutschen Wähler den Unterschied zwischen politischer Show und Verantwortung kennen.

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Ich stimme zu, daß die Tabubrüche ganz klar beabsichtigt sind. Ergänzend bin ich der Meinung, daß diese verbalen Tabubrüche dazu führen, daß das Undenkbare denkbar wird und irgendwann wohlmöglich machbar. Man diskutiert nun laut und allen Ernstes über Möglichkeiten, die man vor einigen Monaten allenfalls heimlich im stillen Kämmerlein gedacht hätte, und nun hat sich jemand getraut es auszusprechen. Indem man über etwas spricht, erhöht man die Wahrscheinlichkeit, daß es getan wird.
Ich denke, daß insbesondere die christlichen Parteien CDU/CSU dieses Spiel auch perfektioniert haben. Das Unaussprechliche wird von der CSU ausgesprochen, man sieht die Reaktionen, man diskutiert ernsthaft darüber, und irgendwann wird es trotz aller anfänglichen Dementi doch von der CDU gemacht.
Ich persönlich würde eher darauf setzen, daß die Amerikaner Trump wohlmöglich doch wählen, zumindest, daß er der Kandidat der Republikaner wird.

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Demokratie muss stets aufs Neue verteidigt werden!

Extremistische Parteien testen regelmäßig die Widerstandsfähigkeit und Verteidigungswilligkeit eines demokratischen Gemeinwesens. Diesen Weg haben die Nazis in der Weimarer Zeit eingeschlagen und genau so wählen die Pegida und AfD-Leute eine solche Vorgehensweise.

Leider ist der Test z.B. in Sachsen zugunsten der Demokratieverächter positiv ausgegangen, weil die dortige Landesregierung die Gefahren von rechts entweder negiert oder verharmlost hat. So darf es nicht verwundern, dass durch dieses Fehlverhalten demokratisch gewählte Regierungen selber zu Getriebenen von Nationalisten und Chauvinisten werden.

All diejenigen, die glauben auf außerordentlich komplizierte Sachverhalte einfache Lösungen parat zu haben, misstraue ich. Anhänger solcher Menschen stehen in der Gefahr, „Rattenfängern“ hinterherzulaufen, die nur eines im Sinn haben, diesen demokratischen Staat zu schwächen und schlussendlich ihn abzuschaffen, da demokratische Parlamente in ihren Augen nur „Quatschbuden“ sind und wir endlich Verhältnisse herbeiführen sollten, in denen nicht viele im demokratischen Prozess um eine Mehrheit ringen, sondern eine kleine Führungsclique bestimmt, welche Menschen willkommen und welche Menschen eliminiert werden sollen. Die Deutschen haben mit einem solchen Staatsmodell mehr als negative Erfahrungen gemacht – sie haben mit dieser Art der Staatsführung den größten Zivilisationsbruch der Menschheit herbeigeführt.

Genau wie die Nationalsozialisten sich als erfolgreiche Versimplifizierer ihren Aufstieg bahnten, so haben die AfD- und Pegidaanhänger heute eben auch nur die „einfachen Lösungen“; die Nazis haben ihre einfachen Lösungen und Worthülsen, die mit brachialer Gewalt und der Verletzung von Menschenrechten und der Menschenwürde in Wahl- und Saalschlachten von ihren Schlägertruppen der SA propagiert wurden, den vielen sozial Abgehängten und politisch Enttäuschten erfolgreich in einer raffiniert ausgestalteten Propagandaschlacht immer und immer wieder einhämmern können. Die politischen Widerstände der Weimarer „Demokraten“ waren nur in homöopathischen Dosen wahrnehmbar. Auch heute sind genau die Nachfolger dieser Rattenfänger wieder unterwegs. Sowohl der Judenhass als auch die Fremdenfeindlichkeit haben sie von ihrem „Vorbild“ übernommen.

Demokratisch gewählte Regierungen in vielen Staaten Europas sind mittlerweile Getriebene von Rechtsradikalen, die nicht für Demokratie, sondern für autoritäre Systeme stehen. In Deutschland hat genau diese Partei, die bereit ist, auf Flüchtlinge schießen zu lassen, offensichtlich im Augenblick eine Hochkonjunktur: Es sind Rattenfänger in brutalster Form. Sie hassen nicht nur Juden, sondern vor allem die Demokratie!

Wenn Demokraten sich wegducken und nicht den Mut haben, von Angesicht zu Angesicht dem politischen Gegner argumentativ zu antworten und dem Wähler eine engagierte Streitkultur zu bieten, so werden Weimarer Zeiten vielleicht wirklich nicht mehr weit sein. Wie heißt es im Faust: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss.“

Paul Haverkamp, Lingen

Antwort auf von Paul Haverkamp (nicht registriert)

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Welche Streitkultur schwebt Ihnen denn vor ? Die, welche Sie selbst nicht beherrschen ? Die, die da in Monologen sich ergießt und sich darin gefällt, im eigenen Egoismus zu schwelgen ? Die, welche im Streit nur obenauf sein will, und über den anderen herrschen ?
Oder, was meinen Sie denn ? Ich verstehe nicht, was Sie wollen. Außer Besserwisserei fällt mir nichts Konkretes auf.
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"Erfolgreiche Versimplifizierer": mir scheint, Sie sind auch derjenigen Welcher, die glauben, man müsse nur das Wort genügend bewegen, und schon bewegt sich die Wirklichkeit mit ? Aber Tatsachen und Realitäten verändern sich nicht, nur weil man seinen eigenen Blickwinkel verändert.
Sie wiederholen sich grausamst !
Und es stimmt, dass man diesen maroden Haufen AFD und Pegida den Garaus machen sollte, doch dazu gehören Mum in den Knochen gleichermassen wie Gefühl im Bauch und eine Prise Intelligenz und Diplomatisches Geschick.
Hinzu kommen Vertrauen in eine friedliche Lösung; Gelassenheit , die hilft Auseinander zu halten, was in konkreter Situation am besten ist, um nicht überzureagieren, und Bildung von der Einbildung zu unterscheiden.
Ich bezeichne Sie schlicht als reinen Panikmacher, ohne Konkrete Vorstellungen, der die geforderte Streitkultur selbst nicht beherrscht.
Halten Sie dagegen, ohne lediglich selbstherrlich die Krone auf seinem eignen Haupt zurechtzurücken !
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Sie sagen nichts wirklich Neues. Nichts, was nicht schon ewig existiert. Die Welt ist riesig groß, und Sie glauben, Sie könnten in ihrem kurzen Pamphlet die Situation in der Welt zusammen fassen und auf den Punkt bringen ?
Internet sei Dank, verdammt.