Republikanisch und genial
Lena Uphoff
15.07.2014

Warum hat niemand das Leben jenes ­Georg Forster je verfilmt? Warum kennen diesen Zeitgenossen Mozarts und Goethes nur so wenige Menschen, obwohl seine Leistungen für Aufklärung und Moderne so bedeutend waren? Weil er sich für die Freiheit engagierte, für Gleichheit und Brüderlichkeit? 

Georg Forster, am 27. November 1754 als Sohn des Pfarrers und Naturforschers Johann Reinhold Forster in Nassenhuben  bei Danzig geboren, starb am 10. Januar 1794 in Paris unter Reichsacht, als Vaterlandsverräter. Das reichte, um ihn im aufkommenden Nationalismus des 19. Jahrhunderts zur unerwünschten Person zu erklären und zu vergessen.

Arnd Brummer im Video über Georg Forster

Sprachen lernt er spielerisch und schnell

Der Forster-Film beginnt im Jahre 1765, Vater „J. R.“, wie er in Briefen des Sohnes später knapp benannt wird, nimmt den Zehnjährigen mit auf eine Entdeckungs­reise nach Russland. J. R. hat längst erkannt, dass dieser Sohn ein Hochbegabter ist. Sprachen lernt er spielerisch und schnell,  kann wunderbar zeichnen und entwickelt ein Wesen, das dem des Vaters entgegengesetzt ist. Der Junior ist kommunikativ, freundlich, heiter und höflich.

Der Alte gilt selbst seinen Freunden als eigensinnig, besserwisserisch, jähzornig und intolerant. Und mit Geld umgehen kann er auch nicht. Sein Leben lang wird ihn der Sohn mit liebenswürdigen Briefen und Gesprächen vor Gläubigern bewahren oder Gönnern den Geldbeutel öffnen. J. R. findet das selbstverständlich.

Für ihn ist der Sohn zugleich engster Vertrauter wie intellektueller Knecht. Dass der Bub in Russland in kürzester Zeit die Landessprache lernt, nützt der Familie schon im Jahr darauf, als sie der wissenschaftlichen Interessen des Seniors wegen nach England übersiedelt.  Natürlich lernt Georg auch im Nu Englisch, arbeitet in London mit zwölf Jahren als Sprachlehrer und übersetzt mit 13 die Russische Geschichte des Gelehrten Michail Lomonos­sow aus dem Russischen ins Englische. Seine britischen Bewunderer, Kollegen und Rivalen des Vaters, loben seine Fähig­keit, die neue Sprache nicht nur formal richtig zu benutzen, sondern sie lebendig werden zu lassen, in Bildern und in ihrem Humor.

Mit James Cook um die Welt

Als J. R. Forster von James Cook 1772 zu dessen zweiter Weltumseglung eingeladen wird, ist klar, dass auch Georg mitreist, als Pflanzen-Präparator und Illustrator. Drei Jahre sind sie unterwegs. Und nach der Rückkehr kommt es zum Krach zwischen dem Vater und der Marine über die wissenschaftliche Auswertung der Reise. Ergebnis: Publikationsverbot.

Also schreibt der Sohn. „A voyage round the world“ wird zum sensationellen Erfolg unter den Intellektuellen der Zeit, leider nicht zum Bestseller. Zum ersten Mal werden die Völker anderer Welt­gegenden analytisch beschrieben und kulturell gleichwertig mit Europäern präsentiert. Ein neuer, unvoreingenommener Blick. Forster darf man als den Erfinder des modernen Wissenschaftsjour­nalismus bezeichnen.

Als der 23-Jährige 1778 die eigene wissenschaftliche Karriere in Kassel als Professor für Naturgeschichte beginnt, suchen die prominenten Gestalten der Aufklärung seine Nähe und werden zum Teil gute Freunde. Georg Christoph Lichtenberg zählt zu ihnen, Goethe und die Gebrüder von Humboldt.

Anschluss der Mainzer an die Französische Republik

In Mainz hält 1792 die französische ­Revolutionsarmee Einzug. Forster ist von den „Kleinodien Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ begeistert, tritt der jakobinischen „Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“ bei, wird deren Präsident, reist im März 1793 als Deputierter nach Paris und fordert in einer großen Rede vor dem Nationalkonvent den Anschluss von Mainz an die Französische Republik. Da besetzen preußische Truppen Mainz.

Der Landesverräter darf nicht zurück­kehren. Verarmt lebt er in Paris. Obwohl er das Regime Robespierre verabscheut, hält er an den Idealen der Revolution fest. Er schreibt „über die Beziehung der Staatskunst auf das Glück der Menschheit“ und stirbt entkräftet an einem Schlaganfall.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Es wird geschrieben: "Warum kennen diesen Zeitgenossen Mozarts und Goethes nur so wenige Menschen ...?"
Die Antwort liegt in der Tatsache, dass seine Schriften populär zugänglich in der DDR waren (u.a. Georg Forster, Forsters Werke in zwei Bänden, Berlin. Verlag der Nation. 1983 und vieles mehr ), das aber kollidiert mit der nun etablierten Sichtweise "Gedenkstätten für die Opfer der kommunistischen Diktatur in der SBZ und der DDR".
Das ist erschreckend. Aber das ist eine Antwort auf die oben gestelllte Frage.
Verdrossen grüsst freundlich
B. Behrendt

Permalink

Von Forster gabe es auc in der Alt-BRD genügend Ausgaben. Aber hier wie "drüben" gelangte der bös-revolutionäre Forster nicht in die Lese- und nicht in die Drehbücher.
Und Goethe? Ja, er schätzte Forster in einigen Werken; aber das Revolutionäre, das ja die Vorstufe zum Parlamentatrismus wurde, war ihm zu schwärmerisch...