Tim Wegner
19.02.2013

Die Kölner Bäder haben auf ihren Internetseiten eine Rubrik namens „Karriere“. Die einzige Ausbildung, die dort angeboten wird, ist die zur Fachangestellten für Bäderbetriebe, früher: Bademeisterin. Ich stelle mir das schön vor. Zwölfjährige in flatterigen Badehosen zusammenstauchen, mal eben das Dreierbrett zu­sperren oder die kraulende Frühschwimmerin von der Schnellschwimmerbahn verscheuchen, weil angeblich gleich eine Schulklasse kommt. Sehr beruhigend, dass Bademeister neuerdings als „Karriere“ durchgeht. Im Schwimmbad ist es wenigstens schön warm.

Für 99,98 Prozent von uns gibt es auch ein Arbeitsleben knapp unterm Vorstand

Das Wort Karriere umweht ja sonst eine seltsame Kälte. Karrierefrauen, das sind Frau Jäkel von Gruner und Jahr, Frau Achleitner von der Allianz und Frau Lagarde vom Währungsfonds. Ich finde diese Frauen sensationell, wirklich, es soll, bitte, bitte, Quoten und Mentoren und solche Sachen geben, damit es alle, die das wollen und können, nach ganz oben schaffen. Es gibt zu wenige Topfrauen in Topetagen, das steht zu Recht auf allen Topseiten, ähm, auf allen Titelseiten. Aber, ganz ehrlich, es gibt ja auch nicht so viele Topetagen. Für 99,98 Prozent von uns gibt es auch ein Arbeitsleben knapp unterm Vorstand. Wir freuen uns, wenn wir unseren Job machen können, mit Sinn und Verstand und gerecht bezahlt. Und ein lustiges Leben ­haben, mit oder ohne Kind. Auch junge Männer, so bestätigen Personalchefs landauf, landab, fragen mittlerweile bei Einstellungsgesprächen nicht nur nach dem schnellen Aufstieg. Sie wollen Dienstagabend Badminton spielen, mittwochs das Kind früher aus der Kita holen und zwischendurch mal ein Sabbatical einlegen.

Wer das alles unter einen Hut kriegt, ob Mann oder Frau, hat es doch irgendwie geschafft. Ist das etwa keine Karriere? Und wer definiert das eigentlich? Dummschwätzer wie Matthias Schweighöfer? Der ließ neulich verlauten, Karrierefrauen, die spät noch ein Kind bekommen, seien eine „Katastrophe“. Gut, dass wir „erledigt: ­Katastrophe“ an dieser Stelle bereits abgehakt ­haben, „erledigt: Schweighöfer“ nehmen wir auf die To-do-Liste. Ach, vielleicht sollte ich doch Karriere im Hallenbad machen. Da könnte man solche Typen, uuups, aus Versehen vom Beckenrand schubsen.

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Frau Achleitner von der Allianz? Meinen Sie Ann-Kristin Achleitner, die mit Paul Achleitner, dem ehemaligen Vorstand der Allianz und jetzigem Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank verheiratet ist? Schade, dass Sie dann andere auch noch als "Dummschwätzer" bezeichnen. Modern und zeitgemäß daher zu kommen, entbindet nicht von Sorgfalt und Respekt.

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Zum Glück ist dieser Besserwisser-Journalismus ein Auslaufmodell.
Sorgfalt und Respekt -Bademeister retten Leben und tragen eine hohe Verantwortung in ihrem Beruf- wird hier nicht trainiert, weil chrismon sich nicht dem Markt stellen muss, sondern wie eine Werbebeilage finanziert wird.