Foto: Gerald von Foris
Ökumene: Nicht nur der Papst ist gefragt
Es wird spannend, wie weit sich die Kirchen gemeinsam auf das Luther-Jubiläum 2017 einlassen. Das hängt nicht nur vom Papst ab

War der Besuch des Papstes in Deutschland ein Fortschritt oder ein Rückschritt für die Ökumene? Nicht nur die Medien sind hier unterschiedlicher Meinung. Auch unter Theologen ist man sich nicht ganz einig. Die Frage ist keineswegs erledigt, denn das große Reforma­tionsjubiläum in Deutschland steht ja noch bevor: im Jahr 2017. Und auch die Frage, wie sich die katholische Kirche daran beteiligt, ist noch offen.

Ich bin mir ganz sicher: Betrachtet man unvoreingenommen und mit Kenntnis die ökumenische Situation, muss man auch die Fortschritte in der Ökumene erkennen. Dass ein Papst in der Zeit der Vorbereitung des Reformationsjubiläums das Augustinerkloster in Erfurt als Ort der Begegnung mit der Führungsspitze der Evangelischen Kirche in Deutschland akzeptiert (aus seiner Umgebung hatte es zunächst durchaus andere Töne gegeben), ist nicht hoch genug einzuschätzen. Es ist genau jenes Klos­ter der Augustiner-Eremiten, in das Martin Luther im Sommer 1505 als 21-Jähriger eintrat.

Ein Stück Rehabilitierung Luthers durch die katholische Kirche

Ich gebe dem katholischen Ökumene­bischof Gerhard Ludwig Müller aus Regensburg recht, der darauf hingewiesen hat: Allein schon in der Wahl dieses Ortes und in dem, was der Papst dort im internen Gespräch gesagt hat (alles inzwischen nachzulesen im Internet) sei ein Stück Rehabilitierung Martin Luthers durch die katholische Kirche erfolgt.

Viele fordern immer wieder, der Papst möge doch endlich den päpstlichen Bann von 1521 gegen Martin Luther aufheben. Diese Forderung ist Nonsens. Denn mit dem Tod erlischt jeder Bann – sonst wäre ja jemand noch im Jenseits gebannt. Das ergibt theologisch keinen Sinn, zielte doch ein Bann auf die reumütige Rückkehr eines Lebenden in die Gemeinschaft der Kirche.

Auch der Papst richtet den Blick auf das Jubiläumsjahr 2017

Eine kritisch-konstruktive Würdigung des Wirkens Martin Luthers wäre nicht nur dem Jubiläum angemessen, sondern auch dem heutigen Stand der Ökumene. Ich hatte im Januar 2011 den Papst in einer Privataudienz, die er der Kirchenleitung der VELKD (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands) unter meinem Vorsitz gegeben hatte, gebeten, eine der­artige Würdigung auf den Weg zu bringen.

Und dort hatte mir Papst Benedikt ge­radezu programmatisch geantwortet: „Wir richten unseren Blick gemeinsam auf das Jahr 2017, das uns an die Veröffent­lichung der Thesen Martin Luthers zum Ablass vor fünfhundert Jahren erinnert. Zu diesem Anlass werden Lutheraner und Katholiken die Möglichkeit haben, weltweit ein gemeinsames ökumenisches Gedenken zu begehen, weltweit um die Grundfragen zu ringen...“ Was nun in Erfurt geschehen ist, war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Wir sollten die offiziellen Gespräche zwischen den Konfessionen nicht stören

Wir sollten die uns von Jesus Christus ans Herz gelegte Ökumene nicht dazu nutzen, um uns anderen gegenüber zu profilieren, etwa um herauszustellen, welche richtigen Ansichten wir vertreten. Wenn jemand dies tut, der aus ihm wichtigen Gründen von einer Konfession zur anderen übergetreten ist, dann ist das ­biografisch verständlich, aber das darf nicht die offiziellen Gespräche zwischen den Konfessionen stören. Unsere Grundhaltung gegenüber anderen Konfessionen sollte von dem Wissen bestimmt sein: Wir glauben an denselben Gott, an Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist, wir haben dieselbe Taufe, dieselbe Bibel, dasselbe Glaubensbekenntnis.

Die Differenzen wiegen dagegen nicht schwer. Nun geht es um gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und Verlässlichkeit. Denn letztlich entspricht dies dem Auftrag Jesu an uns alle.

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Lasst doch den Papst in Ruhe. Die Begegnung in Erfurt war durchaus kraenkende. Der Name Luther wurde erst hinter verschlossenen Tueren erwaehnt. Macht Euch doch nichts vor. Nicht die Bohne ist von diesem Mann zu erwarten. Solange es dabei bleibt, dass uns Protestanten der Status einer Kirche abgesprochen wird, sollten wir uns zu schade sein, immer hinterherzuhecheln. Doch: Nennt man die Dinge beim Namen, so ist das gleich ein "antikatholischer Ton". O-Ton des Bischofs von Regensburg, der in Deutschland fuer die Oekumene zustaendig ist. Unglaubliche Frechheit!
Guenter Apsel

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Sehr froh bin ich, Lutheraner in konfessionsverbindender Ehe, aus der evangelischen Kirche endlich einmal ein zutreffendes und ausgewogenes Urteil über den Papstbesuch und die Schritte des Papstes auf die Lutheraner zu zu lesen. Schon im Paulusjahr hat Benedict XVI. in einer Predigt gesagt, Luther habe Recht mit "allein durch den Glauben"; nur habe die Liebe (Caritas) gefehlt. Wegen dieses Zusatzes hat die forsche damalige Bischhöfin und Präsidentin der EKD Käßmann dies als nicht ausreichend zurückgewiesen, statt es als einen großen entgegenkommenden Schritt zu begrüßen. Pfarrer und Landesbischof a.D. J. Friedrich hat in allen Punkten Recht. Ökumene ist nicht Einheitskirche sondern die Familie der Geschwister in Christo (Einheit in der Verschiedenheit). Benedict XVI. handelt entschiedener in Richtung Ökumene als die evangelische Kirche, die nur starr und bewegungslos darauf zu warten scheint, daß die Reformation Luthers nun endlich die katholische Kirche erfasse. Herzlichen Dank Herr Dr. Friedrich; setzen Sie sich im Rat durch.

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8.1.2012

So sehr ich Johannes Friedrichs Plädoyer für Fortschritte in der Ökumene schätze: Die zitierte Anmerkung des katholischen Ökumene-Bischofs Gerhard Ludwig Müller, allein schon der Papstbesuch des Augustinerklosters in Erfurt und die Äußerungen des Papstes dort seien "ein Stück Rehabilitierung" Martin Luthers durch die katholische Kirche gewesen, hinterläßt bei mir einen unangenehmen Nachgeschmack. Mit einem Kommentar wie diesem werden Martin Luthers Gewissenskonflikt und seine Standhaftigkeit unter größtem Druck zu einem bloßen Delikt herabgestuft, das die katholische Kirche nach nunmehr fast 500 (!) Jahren für halbwegs gesühnt erachtet. Dem Papst und seinen Stellvertretern stünde mehr Demut gut zu Gesicht, wenn man bedenkt, wieviel Leid die Katholische Kirche im Namen Christi über die Menschheit gebracht hat.

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Die unterwürfige Demut,mit der Herr friedrich sich bei der "allein seligmachenden " römischen Kirche anbiedert, ändert nichts an den Tatsachen:
1   die Papstkirche verweigert der protestantischen Kirche die Gleichberechtigung und spricht lediglich von  "christlicher Gemeinschaft "
2   der Papst - siehe das Unfehlbarkeitsdogma von 1870 - besteht auf seinem absoluten Privileg der Glaubenswahrheiten - über das Evangelium hinweg
3   die sakramentenlehre der katholischen Kirche entspricht nicht dem evangelium

Meine schußfolgerung :  mehr Mut,mehr Selbstbewußtsein,mehr "feste Burg".

9.1.2012