Jessica Siegel
Christlich, sozial, transgender
Die Transgender-Aktivistin engagiert sich bei den Konservativen. Und fühlt sich da fast zu Hause
14.10.2013

Jane Thomas, 61:

Ich habe erst spät akzeptiert, was ich wirklich bin: eine Frau, die mit  einem männlichen Körper geboren wurde. Nach Psychotherapie, Hormonbehandlung und Operationen wurde aus James eine Jane. Ich bin nach wie vor verheiratet und habe zusammen mit meiner Frau, einer Bundeswehroffizierin, drei wohlgeratene Kinder. Da hat sich nicht viel geändert. Aber etwas Wichtiges ist dazugekommen: Ich engagiere mich in der Politik.

Früher war ich sehr mit mir selbst und meinen Problemen beschäftigt. Jetzt, da ich zu meiner Identität stehe, habe ich den Kopf frei. Ich interessiere mich für die Menschen und ihre An­liegen und will dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft eine bessere wird. Viele andere Schwule, Lesben und Transgender-Aktivisten sind bei den Grünen, den Linken, der SPD. Ich versuche mein Glück in der CSU. Mir entspricht die Politik dieser Partei. Ich bin eben ziemlich konservativ.

Meine Eltern waren Beamte. Meine Frau ist eine gute preußische Soldatin, gerade ist sie für sechs Monate bei der ISAF in Afghanistan. Auch der Glaube und das Ehegelübde bedeuten mir viel. Deshalb wollte ich mich nie von meiner Frau scheiden lassen, obwohl es für sie am Anfang sehr verstörend war, dass ich nicht mehr als Mann leben wollte. Ich beschreibe mich als eine bayerische, wertkonservative, gut integrierte Deutsche mit Migrationshintergrund, denn geboren bin ich in den USA.

Ich hoffe, ich benehme mich wie eine Frau

Am Anfang meines Wandlungsprozesses hatte ich große Angst, in Frauenkleidern auf der Straße zu gehen. Volkach ist eine Kleinstadt in Unterfranken mit rund 9000 Einwohnern. Aber mir ist nie etwas Schlechtes passiert. Ich kleide mich sehr moderat, so wie meine Nachbarinnen, die in den Weinbergen arbeiten. Man trägt Hosen und schminkt sich nicht stark. Vielleicht ist meine Stimme etwas tief, aber ich hoffe, ich benehme mich wie eine Frau.

Einige Nachbarn haben mir gesagt, dass sie mich jetzt, als Frau, besser verstehen können, als damals den Hausmann, der daheimblieb, um die Kinder zu erziehen. Ich denke, deshalb bin ich hier im CSU-Ortsverband Volkach gut aufgenommen worden. Gerade wurde ich mit etwas mehr als der Hälfte der Stimmen zur Kassenwartin gewählt. Kein überragendes Ergebnis, aber es hat gereicht.

Mein politischer Fokus ist mittlerweile viel größer. Ich habe viel zu sagen zu sicherheitspolitischen Themen. Ich interessiere mich für Europapolitik. Und ich nehme regelmäßig in München an einer Projektgruppe der Frauen-Union zum Thema Familienpolitik teil. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass Volkach für junge berufstätige Frauen attraktiver wird. Um die Frauen-Union am Ort wieder zum Leben zu erwecken, spreche ich gezielt die Ehefrauen der aktiven CSU-Politiker an.

Ich würde gerne ein politisches Mandat in der CSU übernehmen. Ich habe so viel Lebenserfahrung! Es wäre an der Zeit, dass es in Deutschland eine Transgender-Politikerin ins Amt schafft. Aber wenn ich ehrlich bin, erwarte ich nicht, dass das klappt. Die CSU tut sich mit dem Thema schwer. Der Glaube und die heterosexuelle Ehe sind nun mal die Grundpfeiler unserer Gesellschaft.

Wenn ich auf der Liste für die Kommunalwahl ganz hinten lande, ist das nicht schlimm. Dann spreche ich wie bisher Politiker wie Peter Gau­weiler oder Norbert Geis an, und versuche, Verständnis zu wecken. Diese Gespräche verliefen immer freundlich und respektvoll.

Vielleicht finden mich die Leute lächerlich - egal

Vielleicht bin ich aber auch zu optimistisch und zu selbstsicher und schätze deshalb die Situation in meiner Partei falsch ein. Vielleicht finden mich die Leute lächerlich. Wenn das so ist, macht es mir nichts aus. Diese Angst habe ich mit meinem Coming-out überwunden. Ich mache einfach weiter.

Selbst wenn es 10 000 Jahre dauert: Irgendwann werden auch die Konservativen akzeptieren müssen, dass es Schwule, Lesben und Transgender gibt und wir die gleichen Rechte haben. Ich würde mir wünschen, dass eingetragene Partnerschaften mit der Ehe gleichgestellt werden. Dafür sollte es eine Verfassungsänderung geben. Aber dass die Menschen dann dagegen auf die Straße gehen, so wie in Frankreich, das möchte ich nicht.

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Wenn Jane Thomas schreibt: "Irgendwann werden auch die Konservativen akzeptieren müssen, dass es Schwule, Lesben und Transgender gibt und wir die gleichen Rechte haben." , dann heißt das ja, dass bis jetzt diesen Menschen von der CDU/CSU nicht die gleichen Rechte eingeräumt werden und sie somit durch diese Parteien diskriminiert werden.

Es geht ja nicht dabei um den Willen der Mehrheit gegenüber dem Willen von Minderheiten durchzusetzen, sondern es geht hier um Gleiche Rechte für Jedermann/frau bzw. den Einzelnen

Wenn zufällig dieser Einzelne also ein Schwuler oder eine Lesbe oder eine Transgenderperson ist hat sie auf einmal nicht mehr die gleichen Rechte wie in der gleichen Situation ein hetero?

Gibt es da nicht das Anitdiskrimierungsgesetz oder das Gleichstellungsgesetz?

Wenn die Rechte Einzelner aufgrund des Willens einer Mehrheit diskriminiert werden fallen wir wohl einige Jahrzehnte in unserer Gesellschaftlichen Entwicklung zurück.

Die Verwirklichung der Umsetzung der gleichen Rechte für alle bildet die solide Grundlage für unseren Rechtsstaat und unsere gesellschaftliche Ordnung und Wohlstand. Wird hier gerüttelt, wird das Fundament marode und was dann passiert ist wohl jedem klar.

Daher sollte jeder Bürger der BRD dafür kämpfen, dass alle die gleichen Rechte bekommen, denn dann kämpft er auch für sich selbst und seine Rechte!!! Werden einem Teil der Bürger rechte verwehrt, kann dies (auch in anderen Fällen) auch jeden anderen Bürger betreffen.

Ich sehe keine ernsthaften Bekenntnisse zu Gleichberechtigung und Grundrechten für alle bei den Konservativen, von daher halte ich Leute, die als systematisch Unterdrückte aktiv in jenen Kreisen agieren, die diese Unterdrückung ausüben, auch für selbstzerstörerisch.

Das hat es natürlich immer gegeben, Frauen, die in frauenfeindlichen Verbänden arbeiten (selbst im Mittelalter wurde die Unterdrückung der Frau oft von Frauen vorangetrieben), Schwarze, die rassistische weiße Gruppen gefördert haben, sogar Ausländer und Juden in faschistischen Schlägertrupps.

Solche Verbindungen kann man natürlich nicht eindimensional erklären, aber ich distanziere mich als Betroffene von solchen Frauen oder "Transgenderpersonen" und empfinde sie als "Nestbeschmutzer" und aktive Teile des Systems, der Strukturen , die uns kaputt machen und ich bekämpfen will.