Foto: Michael Ondruch
Himmlischer Umzug
Wo ist der Himmel? In einem Loch in der Kirchendecke. Auf den Displays von Wetterforschern. In den Armen der Geliebten. Vor allem aber ist er ein anderes Wort für des Menschen Hoffnungen
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
16.04.2012

Nein, in den Himmel kommen will bei weitem nicht jeder. In der Hölle sind eindeutig die interessanteren Leute, sagt ein Sprichwort. Ob Menschen nun auf der Suche nach Unterhaltung und Ablenkung die Hölle ansteuern oder – auch das ist Volksweisheit – die gepflegte Lange-weile des Himmels vorziehen: für mehr als ein paar skurrile Gedankenspiele über den Himmel haben die wenigsten heute einen Sinn. Ein Auf- oder Abstieg ins Jenseits – wie sollte das schon gehen?

Wie sinnfällig wusste doch die tradi­tionelle Frömmigkeit das Entschwinden des Auferstandenen zu Himmelfahrt zu machen: Ein geschnitztes Christusbild ent­schwand durch das „Heiliggeistloch“ in der Kirchendecke. Das wurde dann rasch wieder durch ein Brett verschlossen, auf dem das dreieckige Auge Gottes sichtbar wurde.

Sind Himmel und Erde tatsächlich grundverschieden?

Wo ist der Himmel? Im nicht nur bayerischen Volksglauben eindeutig oben. Aber das kann nicht die ganze Wahrheit sein. Dann wären das alltägliche Leben und das, was auf die Menschen eines Tages wartet, grundverschiedene Sphären und vollkommen voneinander getrennt. Doch die Himmelsfantasien wandeln sich immer wieder. Durch die Kirchengeschichte mäandern die Vorstellungen: Mal sind Himmel und Erde radikal unterschiedlich, mal greifen sie ineinander. 

Lutherische Theologen betonen, dass Himmel und Erde zusammenhängen, dass sich göttliches Handeln nicht nur im Jenseits ereignet, sondern auch auf Erden. Das Himmelreich zeigt sich eben auch in unserem Alltagsleben. Da gibt es in den verschiedenen evangelischen Konfessionen durchaus unterschiedliche Akzente: Während die evangelisch-lutherischen Christen zum Beispiel betonen, dass Christus, der in den Himmel Aufgenommene, überall auf Erden präsent ist, betonen die Evangelisch-Reformierten: Himmel und Erde sind von Grund auf verschieden. Man kann also sagen: Für manche Christen ist der Himmel ganz nah, für andere weiter weg. Aber alle stimmen darin überein: Christus hat durch seinen Tod und seine Auferstehung den Himmel für die Menschen geöffnet.

Ein jenseitiger Palaststaat mit Erzengeln und Engeln?

Jede Epoche der Kirchengeschichte kennt den Glauben an das ewige Leben „im Himmel“. Ob dort Menschen außer Gott auch ihren Vorfahren, Ehepartnern, Kindern und Freunden begegnen, darüber gibt es keine einhellige Meinung der Theologen. Luther stritt ab, dass im Himmel der verstorbene Ehepartner wartet. Ob der Himmel nun der Ort der seligen Gottesschau oder das wiederhergestellte Paradies ist: das muss letztlich offenbleiben.

Immer noch geprägt sind unsere Himmelsvorstellungen aus einer Zeit, in der es  eine Unterwelt und eine himmlische Oberwelt gab. In der Antike wurde der sichtbare Himmel, das Firmament, als ­Abglanz des göttlichen Lichts verstanden. In manchen Theologien, nicht zuletzt in alten Kirchenliedern, sind auch Relikte von orientalischen und griechischen Vorstellungen der Antike enthalten: der Himmel als eine Art jenseitiger Palaststaat, mit Erzengeln und Engeln. Hier zeigt sich Gott in seiner Herrlichkeit, und in seiner Nähe finden die Gerechten ihr vollkommenes Glück. 

Heute gilt der Himmel viel eher als ein Synonym für Gott – für seine Liebe und Zuwendung zum Menschen. Wenn es heißt, ein Mensch sei nach dem Tod „im Himmel“, dann bedeutet das: Er oder sie ist direkt bei Gott, frei von allen Begrenzungen, aller Last, allen Ängsten und körperlichen Gebrechen. Der Himmel war auch immer eine Folie für die Hoffnungen der Menschen auf ausgleichende Gerechtigkeit und versagten Lohn.

Eine Welt unbegrenzter Möglichkeiten

Der Himmel hat mehr mit den Menschen zu tun als mit Wolken, Luftströmungen und elektrischen Ladungen. Die aufkommenden Naturwissenschaften jedenfalls haben die Jenseitsfantasien der Theologen kräftig gezähmt. Und die Philosophie der Aufklärung hat den Himmel statt mit Jenseitsspekula­tionen mit allerlei irdischen Utopien ver­sehen. Die glückliche Schau Gottes allein reichte nicht mehr, die Welt wurde zu einem Ort unbegrenzter Möglichkeiten, ungehinderten Fortschritts und grenzenloser Erfüllung. Der Himmel auf Erden sozusagen.

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Bedenkt man, dass die Atome und Moleküle aus denen jeder Mensch, jedes Lebewesen und jedes Objekt auf diesem Planeten besteht, nach naturwissenschaftlicher Lehre kosmischen Ursprungs sind, und dass die gesamte Materie der Erde irgendwann wieder in den kosmischen Kreislauf eingeht, so ist uns allen die "Auffahrt" in den Sichtbaren Himmel (das uns umgebende Weltall) jedenfalls sicher.
Begreift man als gläubiger Mensch dieses Weltall und unsere dazu gehörende Erde mit ihren Bewohnern als göttliche Schöpfung oder als sichtbare/ messbare Präsenz göttlichen Seins oder Handelns, so steht der Auffahrtgedanke auch nicht im Widerspruch zum Naturwissenschaftlichen Himmelsbild. Wir selbst waren, sind und werden ein Stück Himmel sein.

Meiner Auffassung nach sind auch Krankheiten, Mörder, Vergewaltiger, Naturkatastrophen und Kriege Teil der Schöpfung. Wir dürfen sie als Menschen nicht einfach tatenlos hinnehmen; unser Leben ist nunmal auch
Herausforderung und Prüfung. Aber wir müssen erkennen, dass sie Teil unseres irdischen Daseins als Mensch sind.

Die Frage: Warum lässt "Gott das zu? " geht meiner Auffasssung nach von einem falschen und vermenschlichten Gottesbild aus. Meiner ganz persönlichen Auffassung ist das Bildnis eines menschengleichen Gottes, der Gut und Böse wie ein Mensch unterscheidet, der der Schöfung einen Zweck gibt, wie wir Menschen ihnen kennen, ein falsches Bild von Gott; und damit einhergehend ein falsches Bild von einem Himmel oder einer
Hölle. Immerhin kommen ja die Atome aus denen wir bestehen aus stellaren Glutöfen.
Was die Schöpfung betrifft; sie wird für uns unfassbar bleiben.

"Du sollst Dir kein Bildnis machen !"

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Die Frage nach dem HIMMEL stellt sich z.B. im angelsächsischen Sprachraum durch die Trennung von "heaven" und "sky" schon mal nicht so naiv. Darüber heute Worte zu verlieren, heißt leeres Stroh dreschen.

Die gnadenlose Gegenüberstellung zur HÖLLE wird durch die - hier leider unerwähnt gebliebene - grandiose Idee der Apokatastasis  aufgehoben. Und hat nicht der große protestantische Theologe Schleiermacher in seinen Predigten gewagt, die Vorstellung eines ewigen Weiterlebens in der einen oder anderen Form gänzlich zu verwerfen? Kein Himmel - keine Hölle.
Das letztliche Unwissen über diese fundamentale Frage sollte alle, die glauben, sich zum Thema äußern zu müssen, zur Zurückhaltung auffordern. Leeres Wortgeklingel gibt es schon genug in unserer Welt!
So ist leider das die Moralkeule schwingende Schlusswort vom  "Himmel auf Erden" reiner rhetorischer Dampf. Ohne Spekulation auf jenseitige Belohnung oder Bestrafung lasst uns dieses reale Dasein so mit Leben erfüllen, dass wir das Elend wenigstens nicht vergrößert haben!

30.04.2012