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Dirk von Nayhauß
14.04.2011

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Die ganze Zeit, da gibt es keine bestimmten Augenblicke. Wenn ich schreibe oder komponiere, fühle ich mich allerdings alles andere als lebendig. Fällt mir nichts ein, geht es mir schlecht. Und sehr oft fällt mir nichts ein.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Ob man tatsächlich etwas von ihnen lernt, das weiß ich nicht. Vielleicht eine naive Betrachtung des Lebens. Ich habe drei Kinder, aber ich bin mit ihnen nicht in Verbindung. Die Mutter hat dem ersten die Liebe zu mir ausgetrieben, das war eine ziemlich harte Sache. Die anderen beiden haben sich mit einer Brutalität, die ich bis heute nicht verstehe, einfach losgesagt, auch von ihrer Mutter. Das ist nicht zu verstehen.

An welchen Gott glauben Sie?

An eine Art Wesen, das wir aus Bequemlichkeit Gott nennen. Sieht man sich die Natur an, sieht man sich allein einen Baum an, versteht man, dass das nicht von selber gekommen ist. Das muss irgendjemand geschaffen haben, aber letztlich geht Gott über ­unseren Horizont. Wenn Sie versuchen, einem sehr klugen Hund den Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland zu er­klären – das geht über seinen Horizont. Ich habe auch nicht das Gefühl, die Gegenwart Gottes zu spüren, das maße ich mir nicht an. Es gibt jedoch ein Kindheitserlebnis, an das ich noch heute sehr oft denke. Ich war etwa sieben Jahre alt und wollte unbedingt ins Kino gehen, aber meine Eltern bestanden darauf, meine Großmutter zu besuchen. Ich habe geschrien und geweint, aber es half nichts, und dann habe ich gebetet: „Lieber Gott, lass mich ins Kino gehen, das ist ein so schöner Film!“ Als wir bei meiner Großmutter ankamen, fragten mich meine Cousinen und Cousins: „Wir gehen ins Kino, kommst du mit?“ Ich war selig, das war für mich eine göttliche Offenbarung.

Hat das Leben einen Sinn?

Es liegt im Humanen, mitmenschlich zu denken, und ich glaube, dass jeder Künstler mitmenschlich denkt, denn das liegt in der Natur der Sache. Aber ob Mitmenschlichkeit der Sinn des Lebens ist, das weiß ich nicht. Heutzutage gibt es diese Jugendlichen, die andere Leute zusammenschlagen. Unter diesen Jugendlichen werden Sie aber mit Sicherheit keinen Künstler finden.

Muss man den Tod fürchten?

Ich glaube nicht, dass es ein Leben nach dem Tode gibt, so ein Pessimist bin ich nicht. Meine Frau tut mir leid, sie ist deutlich jünger als ich, sie wird allein sein, aber persönlich fürchte ich den Tod nicht. Im Alter wird man in dieser Beziehung gelassen. Wenn man 88 Jahre alt ist, sagt man sich: Habe ich Glück, werde ich noch ein bisschen älter; aber es ist doch unvermeidlich, dass ich sterbe. Das Alter ist ein gewisser Geisteszustand, den man Jüngeren nicht erklären kann, das ist für sie nicht zu fassen. Ein alter Mensch versteht mich, aber ein jüngerer nicht. Manches kann man nicht beschreiben. Können Sie benennen, wie eine Ananas schmeckt? Nein, sie müssen selbst eine essen.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die zu meiner Frau, wir kennen uns seit 35 Jahren. Wir waren beide schon ein bisschen älter, als wir uns getroffen haben, wir hatten die schlimmsten Jahre hinter uns.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Noch ein bisschen leben und mit meiner Frau zusammen sein – das ist alles. Hatte ich je irgendwelche Träume? Ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht ist es auch besser, wenn Träume nicht in Erfüllung gehen. So bleibt man bescheiden, bleibt sich seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst. Ich glaube nicht, dass sich Gaddafi oder Mubarak ihrer eigenen Unzulänglichkeit bewusst sind.

Sind Sie stolz auf Ihr Leben?

Nein, überhaupt nicht. Was gibt es, worauf ich stolz sein sollte? Ich habe eine gewisse Prominenz erreicht – ist man darauf stolz? Die Texte, die ich schreibe, werden mir eingeflüstert, die kommen nicht aus mir selbst heraus, sondern irgendwo von außen. Wie sollte ich darauf stolz sein? Im Gegenteil, ich hätte sie noch besser bearbeiten sollen, ich bin nie wirklich zufrieden. Ich freue mich, wenn bei meinen Lesungen die Theater ausverkauft sind, aber auch das ist doch kein Grund, stolz zu sein.


 

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Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Kurzbiografie von Georg Kreisler schreiben Sie, er sei 1938 in die USA emigriert. Sind Sie sicher, dass er emigriert ist?
Ist er nicht, wie so viele Juden schlichtweg aus Deutschland oder/und Östereich geflüchtet? Wäre er geblieben, wäre er zweifellos
ermordet worden. Diese Aussage "emigriert" lese ich immer wieder in vielen Zeitungen und auch in "chrismon". Auf dem Hintegrund
meiner Kenntnissen über die nationalsozialistische Gewaltherrschaft kann ich es nur als Flucht bezeichnen. Ich bitte Sie, meinen Hinweis in
Ihrer Redaktion zu besprechen und, sollte ich Sie überzeugt haben, ihn zukünftig für Menschen, die Deutschland wegen
der Nationalsozialisten verlassen mussten, nicht mehr zu verwenden. Vielen Dank.

Freundliche Grüße,

Jürgen Kumlehn
Erinnerer