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Ich gehöre zu den Menschen, die gerne ordentlich auftischen – in jeder Hinsicht. Auch beim Essen. Alles, was Küche und Keller hergeben, wird serviert, selbst bei einem mittäglichen Imbiss oder dem kleinen Abendessen. Das Meiste bleibt übrig und wird wieder abgetragen. Nicht weggeworfen natürlich, sondern aufbewahrt. Ich habe Lust an der Wahl. Das Gefühl, entscheiden zu dürfen, stimmt mich froh. Mein Mann ist ganz anders. „Mir reicht ein Wurstbrot“ sagt er. „Vielleicht eine Essiggurke dazu und ein paar Tomaten“. Oder eine Butterbrez´n. Jedenfalls nur ein Teller mit was drauf. Er ist bescheiden. Ich nicht.
Oliven, pikant gefüllte Paprika, ein wenig angemachter Frischkäse, Erbsenminzpaste, Pesto al Funghi, Zwiebelconfit, Remoulade, Sauce Tartare, Kräuterbutter – kann man alles prima mit Käse, Salat und Brot kombinieren. Oder so essen. Ich weiß, dass Masse selten klasse ist. Die Tellerchen und Töpfchen, die ich fülle, sind deswegen klein, aber zahlreich. Viel kann in der Menge wenig sein. Der Küchenchef in einem unserer Urlaubsrestaurants ist ein „soul mate“ von mir, ein Seelenverwandter. Er präsentierte uns ein „Assortment of cold mezzeh“, kalte Vorspeisen. Hummus war dabei und Moutabal.
Bescheidene Vielfalt, und viel Seeligkeit
Moutabal ist ein herrliches Püree aus gegrillten, pürierten Auberginen, Knoblauch, Petersilie, Sesampaste, Olivenöl, Zitronensaft, Kreuzkümmel, Salz und Pfeffer. Dazu hat er Warak Enab gemacht, gefüllte Weinblätter, und Zaatar Mushrooms, Pilze mit einer nordafrikanischen Gewürzmischung aus syrischem Oregano, Thymian, Sumach, geröstetem Sesam, Olivenöl und Salz. Und es gab zweierlei getoastetes Pitabrot mit Kräutern. Nicht die Menge zählt, sondern die feine, wohl durchdachte und schmackhafte Vielfalt. Ein verlockender Teller mit sechs Delikatessen für wenige glückliche Bissen.
Immer schon habe ich diese Weissagung aus dem Alten Testament geliebt: „Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“ (Micha 5,2). Der Evangelist Matthäus hat später darauf hingewiesen, dass Bethlehem, das Haus des Brotes oder des Fleisches, keineswegs unbedeutend ist. Wenn der Herrgott da herkommt … Der mag´s nicht protzig. Aber klein ist eben oft zugleich oho und lebendig. Wir werden uns schon einig, mein Mann und ich: Bescheidene Vielfalt und viel Seligkeit dabei.
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