- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Zur Ästhetik des Essens gehört Farbe - und das Gefühl, wie ein Gericht oder ein Getränk auszusehen hat. Karotten sind orange, Erdbeeren rot, Kartoffeln und Reis … Da fängt es schon an. Lebensmittel haben verschiedene Schattierungen bis hin zu violett. Sogar Möhren, vor allem die alten Sorten, schimmern manchmal im dunklen Kirchenlila.
Davon lasse ich mich gerne begeistern. Auch von mit Rote Bete-Saft eingefärbten Ravioli, Gnocchi und Spätzle.
Ich mag aber keine schwarzen Nudeln, blaue Creme auf einem Törtchen oder Rainbow-Donuts. Die mag ich aber „in echt“ auch nicht leiden. Dann kann es mir egal sein, ob sie politisch korrekt aussehen oder nicht. Grün ist neben Rot eine beliebte Farbe zum Kostümieren von Nahrung. Ich habe mir kürzlich unter der Rubrik „Special Blends“, also frisch gemixte Säfte, einen „Green and Clean“ bestellt. Das war keine weltanschauliche Aussage, weder vom Restaurant noch von mir.
„Green and Clean“ ist eine Mischung aus Sellerie, Gurke, Apfel, Spinat, Zitrone und Ingwer. Genau so wird es wohl schmecken. Wahnsinnig gesund und eben sehr grün. Ich hätte auch Ananas, Apfel und Minze nehmen können. Oder Möhre, Apfel, Orange und Ingwer. Bei beiden wäre die Farbe schmeichelnder gewesen. Aber ich musste ja wieder einen auf „healthy“ machen, auf vital und fit. Das Glas steht vor mir und ich frage mich, ob ich das Zeug wirklich trinken soll.
Das Über-Ich meldet sich und verkündet, dass man das, was man bestellt, auch verzehrt. Wenigstens probiert! Bloß weil einem die Farbe nicht passt, kann man es doch nicht einfach zurückgehen lassen … Ich beschäftige mich vor dem ersten Schluck erst einmal mit sonnenwarmen Mangos, die sind auch gesund. Dann mümmle ich an einer Körnersemmel mit Käse herum. Geschickt verschiebe ich meinen Versuch, die wertvollen Stoffe im Glas zu mir zu nehmen.
Dadurch wird aber nichts besser. Die einzelnen pürierten Bestandteile trennen sich vom Rest und schweben anschließend in einer hellgrünen wässrigen Lösung. Das sieht nicht appetitlich aus … Schnell nehme ich einen Löffel und rühre im Glas, um den „Special Blend“ wiederherzustellen. Dann lasse ich mir die Mixtur munter durch die Kehle rinnen. Nicht so übel wie ich dachte, nicht so provokativ bekömmlich. Frisch, leicht, würzig. Ein bisschen scharf. Macht mich sicherlich fit und vital.
Am nächsten Tag stürze ich, prelle mir sämtliche Rippen auf der linken Seite und verletze mein Knie. Das ist jetzt stellenweise dunkelrot. Andere Flächen präsentieren sich wie besagte Kartoffeln oder Möhren: Dunkelviolett. Alte Sorte. Sieht beim Essen besser aus als an mir. Ob das Grün mich übermütig, zu quirlig und lebendig gemacht hat? Humpelnd und mit Schmerzen im Brustkorb trabe ich zum Frühstück. Einen Saft? Ja, gerne. Apfel bitte. Der hat mich noch nie umgehauen.
Vom Blog zum Buch:
Sie wollen mehr lesen? Dann gibt es jetzt das Buch dazu von Susanne Breit-Keßler