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Der Moses-Parkplatz in Neuenahr ist ein wandelbarer Ort. Hier standen die Autos von Pendlern, Patienten umliegender Arztpraxen oder Einkaufswilligen – so sie denn einen der immer zu knappen Stellplätze ergattern konnten. Vor Corona verwandelte er sich jährlich im Herbst in den größten Kirmesplatz nördlich der Alpen oder so, irgendein Superlativ war jedenfalls mit dem Volksvergnügen verbunden. 2008 war hier der Rheinland-Pfalz-Tag zu Gast, was auch ein ziemliches Event war. Ein besonders religiöser Platz ist es nicht, namensgebend ist das einzige Kaufhaus der Stadt, das inzwischen aber durch ein davor gebautes Haus nicht mehr zu sehen ist.
Seit dem Hochwasser ist der Parkraum weniger geworden und eine kleine Zeltstadt entstanden. Erst war auf der hochwasserfreien Fläche eine Einsatzzentrale, inzwischen können sich Menschen hier mit Lebensnotwendigem, Essen und Trinken versorgen. Das ist die Hardware. Daneben ist es eine Informationsplattform, ein Austauschforum, ein Seelsorgeort, eine Ideenbörse.
Hier ist Janas Revier. Was sie genau macht, kann ich nicht genau sagen, dazu wechselt zu oft, was sie gerade managt, organisiert oder regelt. Wie ein Duftbaum am Innenspiegel von Autos die Nase erfreuen soll – die Sache findet immer noch auf einem städtischen Parkplatz statt – so verbreitet sie dort Optimismus, Lebendigkeit und Trost. Selbst wenn sie sich aufregt, (was schon mal vorkommt), scheinen die Augen noch zu lachen. Auf ihrem T-Shirt steht Bethel, darauf ist ein Namensschild geheftet. „Das bräuchte ich längst nicht mehr, die kennen mich sowieso alles hier.“
Dann kam Bethel ins Tal
Jana und Bethel ist eine neue Konstellation, Jana und Neuenahr ist eine seit 1992 gewachsene Beheimatungsgeschichte. Damals kam sie aus dem Erzgebirge und ging im rosa Jogginganzug ins erste Haus am Platze hinein zum Vorstellungsgespräch. Im Laufe der Jahre wurde aus dem Zimmermädchen die Hausdame (was ein ziemlich antiquierter Euphemismus für die Tätigkeit einer Managerin-für-fast-alles-rund-ums-Hotel ist). Die Protestantin wurde Presbyterin. Dann kam Bethel ins Tal. Erst, um die Entstehung eines stationären Hospizes zu forcieren, dann um ein von Stadt und Land ersehntes Inklusionshotel zu bauen.
Für Jana, inzwischen Mutter zweier fast erwachsener Kinder, die Chance, sich beruflich neu einzulassen. Hotellerie für und mit Menschen mit Einschränkungen bei einem christlichen Träger war für sie perfekt: Jana ist eine Kernfusion von Kirche und Diakonie. Für die Stiftung aus Bielefeld schien sie ebenfalls die Idealbesetzung. Jana plante ihren Wechsel von langer Hand und mit offenen Karten. Der erste August wäre offiziell ihr erster Arbeitstag in der neuen Stelle gewesen. Jetzt ist sie Hotelmanagerin, Waschsalonorganisatorin, Personalvermittlerin und Kaffeezeltbetreiberin in Personalunion.
Alles im Schatten ihres zukünftigen Hotels, an dem die Arbeiten auf Hochtouren laufen. Bethel hat eine Anlaufstelle geschaffen, um Menschen das anzubieten, was gerade gebraucht wird. Ohne Bürokratie, ohne Fragen. Eine Frau schleppt einen Wäschekorb heran. Alle Maschinen im Waschzelt laufen, die Frau wirkt nicht froh: „Ich kann nicht bleiben und warten...“ „Lassen Sie es stehen, ich wasche Ihnen das, Sie können es später abholen“, sagt Jana und lacht, „das mach ich nur für nette Menschen.“ Die Frau strahlt. Ein glücklicher Mensch zieht in den Tag. Und Jana eilt zu einer Fuhre Jogurtbecher, die versorgt werden müssen.