Lena Uphoff
15.11.2010

Am Neujahrstag telefonierte ich mit meinem alten Freund Kurt. Nachdem wir die üblichen Fragen (Kinder, Frau, Gesundheit, Beruf) abgearbeitet hatten, verwendeten wir noch ein paar Minuten auf Marius und Sulla, auf Caesar und Pompejus und auf das Ende der römischen Republik. Kurt ist immer noch der Meinung, dass die Unfähigkeit des römischen Senats, eine der Supermacht angemessene Regierungsform zu schaffen, auf jeden Fall zu einem Putsch von oben geführt hätte. "Wenn nicht durch Caesar, dann durch einen anderen."

Rom ist immer Thema, wenn Kurt und ich miteinander sprechen ­ seit mehr als zwanzig Jahren. So lange kennen wir uns. In den Augen unserer Frauen pflegen wir eine mehr oder minder absurde Marotte, wenn wir uns heftigst über den Geisteszustand des späten Sulla ereifern oder über die Bedeutung Ciceros als Staatsmann streiten. Uns aber tut es gut, einen zu kennen, mit dem man diese Themen ernsthaft erörtern kann. Kurt ist ein viel beschäftigter Wirtschaftsanwalt. Er arbeitet in einem Milieu, in dem man höchstens seinen Airdaleterrier Sulla nennt.

Mit meinem Cousin Marco erörtere ich vorwiegend die Bedeutung Eric Claptons und die von Jimmy Page für die Entwicklung der Rockmusik. Mit meinem Kollegen Gerd rezitiere ich im Wechselgesang Aufstellungen deutscher Fußballnationalmannschaften von 1954 bis 2002. Mit Fritz bin ich auf der Suche nach der ultimativen Methode, Weißwürste zu enthäuten. Die Treffen mit Mike dienen dem Austausch über die wirkungsvollsten Migränemedikamente. Urlaubsziele sind der bevorzugte Gegenstand bei Zusammenkünften mit Pit.

Jede Beziehung hat ihren eigenen Gehalt. Und keine ist durch die andere zu ersetzen. Jede Beziehung ist ein Stückchen Zuhause, ein bisschen Heimat, ein Feld, das man mit einem ganz bestimmten Partner teilt. Jede Beziehung ist eine seelische oder geistige Nachbarschaft. Dort, wo die gemeinsamen Themen liegen, berühren sich die Sphären.

Was uns Rom bedeutet, muss außer Kurt und mir niemand verstehen. Wir spielen unser Spiel. Nur das ist wichtig. Es geht uns nicht um Rom. Rom ist unser Mittel zum Zweck: eine Viertelstunde freundschaftlicher Begegnung. Andere spielen miteinander Tennis. Da frage keiner, ob sie nicht besser Tischtennis oder Billard miteinander spielten.

Männer, hat mir neulich eine kluge Frau erzählt, seien sozial behindert. Sie bräuchten entweder einen Ball, ein Hobby oder ein abstruses gemeinsames Thema, um einander näher zu kommen, nahe zu bleiben, befreundet zu sein. Nur im Spiel könnten sie sich öffnen. Von Mann zu Mann komme es nur selten zu echten intimen Gesprächen. Was ist echt? Was heißt intim? "Tja", antwortete die kluge Frau, "Männer bleiben bis ins hohe Alter ein wenig infantil, sind große kleine Jungs, ein wenig unreif."

Mag sein, sagte ich. Mehr wusste ich zunächst nicht zu erwidern. Dann fragte ich die kluge Frau, ob sie noch Tennis spiele im Damenteam des TCK. "Nee", erzählte sie, "wir haben uns gerade aufgelöst. Wir sind völlig verkracht miteinander." Sie solle sich nichts daraus machen, riet ich ihr. Dass Frauschaften in Streit und Hader auseinander brächen, sei völlig normal. Frauen seien einfach zu reif, um Spiel und Ernst auseinander halten zu können. Spielen um des Spiels willen, ein Hobby ohne sonstige Bedeutung, das müssten sie den unreifen, infantilen Männern überlassen.

"Wollen Sie damit behaupten, Frauen könnten nicht spielen?" So absolut wollte ich es nicht formulieren, entgegnete ich. Immerhin ein Spiel, das man nur um seiner selbst willen spielt, hätte ich mit Frauen gerne, oft und mit größtem Vergnügen inszeniert: den folgenlosen Flirt. Über Rom, Eric Clapton und Fußball werde ich mit dieser Frau nie reden können, dachte ich beim Abschied. Aber die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ­ das könnte unser Thema werden!

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