Sven Paustian
Eine Göttin, die Borussia und Martin Luther
Vorsicht, woran man sein Herz hängt - im Fußball und in der Religion
Lena Uphoff
13.12.2012

„Du mit deinem Gott! Wen interessiert das denn noch?“ Es ist gut, wenn man Agnostiker wie Lars zu seinen Freunden zählt. Man wird herausgefordert, genau zu formulieren, sich selbst und andere zu überraschen. Schön ist zum Beispiel die Rückfrage: Und dein Gott? Neulich hat Lars darauf mit dem üblichen Konter ­reagiert: „Ich habe keinen.“ Und ich wiederum: Alle Achtung! Er: „Willste mich hochnehmen? Einer wie du achtet doch nicht, dass ich an Gott nicht glaube.“ Stimmt. „Also was soll dann ,Alle Achtung‘?“

Jetzt wird es schwierig. Aber das ist recht so. Also: Ich achte, dass er sagt, er habe keinen. Das ist etwas anderes, als nicht an einen zu glauben. „Haarspalter! Spitzfinder!“ Mag sein. Ich ­be­haupte, er hat keinen, an den er glaubt. Vielleicht hat er aber einen, von dem er gar nicht weiß, dass er an den glaubt. „Was heißt denn Glauben?“ Lars ist Jurist und ein Freund der Genauigkeit. Glauben, antworte ich nach ein bisschen nachdenken, ist ein­ ­Synonym für Vertrauen. Dass du keinen hast, dem du vertraust, heißt nicht, dass es keinen gibt.

Wir wechseln zum Fußball, unserem Lieblingsthema. Lars ist ein Schwarz-Gelber. Dass seine Dortmunder in der Champions League marschieren, lässt ihn seit Wochen breit grinsen, wenn wir darauf zu sprechen kommen. „Ja, ich geb’s zu: Es geht mir richtig gut, wenn die Borussia erfolgreich ist. An dem Verein hängt nun mal mein Herz seit frühester Jugend.“ Hängt sein Herz... Weiß Lars, woher dieses schöne Wort kommt, wer in unserer Sprache darauf das Urheberrecht hat? „Ich würde ver­muten, das ist Volksmund oder Umgangssprache. Aber, wenn ich dein feistes Lächeln sehe, wird es sicher von irgendeinem Kirchenspezi sein! Sag schon!“ Er kennt mich. Klar. Wir reden ja nicht zum ersten Mal miteinander.

"Großer Dingsbums? Muss man das kennen?"

Martin Luther, sage ich, Großer Katechismus, erstes Gebot. „Großer Dingsbums? Muss man das kennen?“ Muss man nicht. Ist aber ein spannender Text darüber, wie man Gebote verstehen kann und soll. Lars in einer Mischung aus kleinem Ärger, großer Neugier und einer deftigen Prise Ungeduld: „Also leg’ los, sonst gibst du doch keine Ruhe!“
„Ich bin dein Herr und Gott; du sollst keine anderen Götter haben neben mir“, das ist das erste Gebot. Ja, hat er schon mal gehört, knurrt Lars. „Und jetzt dein Luther!“ Ich steh schon am Regal und ziehe das kleine Buch mit dem Großen Katechismus raus. „Und das willst du jetzt vorlesen? Das ganze Buch? Nee, nicht dein Ernst!“ Nein, nicht das ganze Buch, nur einen Absatz. Luther erklärt in ein paar Zeilen, was ein Gott ist: „Ein Gott heißt etwas, von dem man alles Gute erhoffen und zu dem man in allen Nöten Zuflucht nehmen soll. Einen Gott haben heißt also nichts anderes, als ihm von Herzen vertrauen und glauben, wie ich oft gesagt habe, dass allein Vertrauen und Glauben des Herzens etwas sowohl zu einem Gott als zu einem Abgott macht. ... Denn die zwei gehören zusammen, Glaube und Gott. Woran du nun, sage ich, dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott!“ – „Borussia! Das ist fies! Eins zu null für deinen Luther.“ Lars ist ein fairer Sportsmann. „Der Fußballgott. Oh Gott!“

Nach dem letzten Tor von Götze – schöner Name – „war die Woche“, für Lars, „gerettet“. Diese Vorlage muss ich verwerten: „Aber schieß nur ein Tor, so wird meine Seele gesund.“ Oder wie heißt es in der Borussia-Hymne? „Wir spürten, dass, egal wohin die Fußballwelt sich dreht, Borussia niemals untergeht!“ Dein Gott heißt BVB. „Hör jetzt mal uff! Ich gebe es ja zu. Jetzt Schluss mit dieser Missionssitzung!“ Recht hat er.

Wir haben noch lange über die Champions League gesprochen. Was machen die Bayern? Dass ich deren Fan bin, hat Lars nie verstanden. Und wie weit kommt Schalke? Ein Thema, bei dem Lars eine ähnlich klare Meinung hat wie bei seinem BVB, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Beim Abschied haut mir Lars auf die linke Brust: „Also pass auf, woran du dein Herz hängst. Meines hängt, neben dem BVB, an meiner Frau. Weißt du ja. Darf ich die Göttin von dir grüßen?“ Darf er.

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