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„Zjär-Kjäs“, sagte die junge Frau und ließ die Steinchen durch ihre Hände purzeln. „Zier-Kies“ stand auf dem Schild in der Gartenabteilung des Baumarktes, die mich selten als Kunden erlebt. Aber heute musste ich rein. Ich brauchte eine Sense, da die seltsame Witterung dieses Sommers den kleinen Rasen hinter dem Haus in eine wildwuchernde Wiese verwandelt hatte.
Zierkies! Damit habe ich nun wahrlich nichts am Hut. Schöne Gärten! Was da an Arbeit drinsteckt! Blut! Und Schweiß! Tränen eher seltener.
Ich habe den Gartenbau schon in meinen Jugendjahren abzulehnen gelernt. Das lag zum guten Teil an einer Rosen-, Brombeer- und Stachelbeerfreundin, die – leider – meine Mutter war. Ich durfte zur Ernte unter die Sträucher und Ranken kriechen. Ich bin zwar unbestechlich, das hat mich aber nicht vor Blutzoll bewahrt. Ich durfte im Herbst rund um unseren Garten siebzig Meter Rosenhecken beschneiden – der dornigste Job meines Lebens.
Gemessen an diesen Aufgaben waren Laub fegen, umtopfen, Kirschen sammeln und Erdbeerstauden pflanzen zwar langweilig, aber erträglich. Es sei denn, Onkel Schorsch, Mamas Bruder, kam zu Besuch. Der war Handwerker von Beruf, in Gartenfragen jedoch schneidig wie ein Feldwebel. Unvergesslich jene Szene, als ich ihm stolz die von mir angelegten Erdbeerbeete präsentierte. Schorsch zog die Stirn in Falten, kniff die Augen zusammen. Dann bellte er: „Ganz mies! Die stehen gar nicht in Reih und Glied! Warst du beim Einpflanzen besoffen?“ Er griff das Grabschäufelchen und machte Ordnung mit einem Besenstiel, den er an die Pflanzenreihe hielt. „Siehst du, so macht man das! Nur gerade Linien und rechte Winkel!“
Meine Gegenfrage, was das denn mit Natur zu tun habe, ließ ihn genervt abwinken: „Natur! Das kommt von deinem Papa. Hier geht es um Kultur! Und da muss Ordnung herrschen!“ Kultur?
Beete oder Wildnis – Bügelfalten oder Knitterlook...
„Ich kann deinen Onkel verstehen“, meinte Nachbarin Silke, als ich ihr meine innere Distanz zum Gartenbau erklärte. Silke ist Geschichtslehrerin. Daran hatte ich zu Beginn unserer Plauderei am Zaun nicht gedacht. In einem kleinen Referat erklärte sie mir, wie vor achttausend Jahren „über die Balkanroute“ die ersten Experten für Ackerbau, Nutzpflanzen und sesshafte Landwirtschaft nach Mitteleuropa kamen, wo bis dahin nur nomadische Viehzüchter zwischen Wäldern und Wiesen unterwegs gewesen waren. „Wenn du vom Ackerbau lebst, lernst du, Nutzbares vom Unkraut zu unterscheiden. Und du lernst, dass saubere, ordentlich angelegte Beete ertragreicher sind, sich leichter pflegen und abernten lassen. Das meinte dein Onkel mit ,Kultur‘.“
Im Himmel sind die Allerletzten
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Kleine Geschichten über die großen Themen des Lebens. Mal nachdenklich, meistens heiter, hintergründig und geistreich berichtet chrismon-Chefredakteur Arnd Brummer von Begegnungen und Beobachtungen, die nur scheinbar alltäglich sind. Wagt man mit Arnd Brummer den Blick hinter die Oberfläche, erschließen sich tiefe Einsichten in die großen Themen des Lebens.
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„Und du bist Sadist? Beton oder Chaos? Sind das deine Lieben?“ Silke musste so polemisch reagieren. Ich verzichte darauf, ihr meinerseits einen Vortrag über funktionale Ästhetik zu halten. Wir schaffen es ja auch, mit unseren Gärten ein versöhntes Nebeneinander zu leben. Free Jazz und klassische Sinfonie, Bügelfalten und Knitterlook. Und schließlich muss ich ja zugeben, dass es Formen der Landwirtschaft gibt, in denen ich Ordnung nicht nur akzeptiere, sondern für unverzichtbar halte: den Weinbau vor allem! Wenn ich durch die Rebhänge der Ortenau, des Strombergs, des Rheingaus oder in Rheinhessen wandere, geht mir das Herz auf. Silke nickt zufrieden. Ich kann ihr allerdings nicht ersparen, dass jüngere Winzer erkannt haben, wie schädlich monokultureller Anbau für die Böden ist. Deshalb lassen sie neben den Reben absichtlich Unkraut wachsen. Silke: „Sowohl als auch!“ Richtig! Und zwar entschieden!