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Christian und Oliver sind Freunde. Sie haben gemeinsam die Schulbank gedrückt, Blödsinn miteinander ausgeheckt und sich gegenseitig von ihren Eroberungen erzählt. Dann studierten die zwei in derselben Stadt, verliebten sich ernsthaft und heirateten. Sie sind weiter Freunde geblieben. Man traf sich - mit den Familien zum sonntäglichen Brunch, alleine auf ein Bier oder eine schöne Flasche Rotwein. Christian und Oliver haben sich fast wöchentlich angerufen und erzählt, was so los ist in der Arbeit, wie es im Urlaub war. Irgendwann wurden die Begegnungen fade, die Gespräche schal.
Trotzdem hat jeder weiter treu und brav aus seinem Leben berichtet. Nur war da kein Funke mehr, der übersprang. Keine interessierten Fragen, eher belanglose Kommentare: "So? Hmm ... Okay, schau an ..." Christian hat zuerst gemerkt, dass die Floskeln mehr, die Inhalte weniger werden. Kann das sein? Nach so vielen Jahren, in denen man Spickzettel, manchmal sogar - ahnungslos - die Freundin geteilt hatte. Nach Jahren, in denen man sich gefreut hatte, dass da ein Kerl ist, dem man alles sagen, mit dem man lachen kann, der einem die besten Kinotipps von allen gibt.
Was tun? Die Fassade aufrechterhalten um der guten alten Zeiten willen? Noch mehr langatmige Gespräche und Treffen, bei denen man hinterher bedauert, dass man sich drauf eingelassen hat? Schade um die Lebenszeit, die man damit vertut. Wenn ein Mensch spürt, dass in einer Freundschaft nicht mehr das alte Feuer steckt, sollte er das ansprechen. Vielleicht geht es dem Freund, der Freundin genauso und beide entdecken, dass die Beziehung eine neue Gestalt braucht. Möglicherweise ist es jetzt "dran", sich gemeinsam für eine gute Sache zu engagieren oder regelmäßig Theaterbesuche zu machen, um von außen Anregungen und Gesprächsstoff zu erhalten.
Manchmal gelingt es, sich neu zu entdecken und anders weiterzumachen. Das ist ein großes Glück. Manchmal ist es nicht zu schaffen - weil zwei Freunde sich auseinandergelebt und trotz guten Willens nichts mehr zu sagen haben. Dann kann man sich leise davonschleichen, den Kontakt immer weniger werden und schließlich einschlafen lassen. Das ist zwar bequem, weil einem Auseinandersetzungen erspart bleiben. Man hat höchstens ein bisschen Schuldgefühle, weil man sich nicht ganz redlich verhält. Bequem, aber nicht fair - und einer einstmals wunderbaren Freundschaft auch nicht angemessen.
Viel respektvoller gegenüber der gemeinsamen Geschichte ist es, klare Worte zu finden. Sich dadurch zu achten, dass man sich gegenseitig Ehrlichkeit gönnt. Und sagt, dass es - leider - nichts mehr gibt, was einen wirklich eng verbindet. Als der biblische Erzvater Abraham mit seinem Neffen Lot Schwierigkeiten bekommt, weil sie sich nach anfänglichem Verständnis auf die Nerven gehen und jeder Raum für sich braucht, sagt Abraham: "Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken" (1. Mose 13,9). Eine großzügige, weitherzige Geste.
"Lassen wir es gut sein" - dieser Satz erfordert Mut. Er drückt aus, was Sache ist: Es war wirklich gut, war lange sehr schön miteinander. Jetzt soll und wird jeder seinen Weg ohne den Freund, ohne die Freundin gehen, mit den besten Segenswünschen füreinander. Die gemeinsame Zeit wird in der Erinnerung bewahrt bleiben - als kostbares Geschenk. Und vielleicht begegnet man sich ja einmal überraschend wieder und sagt, begeistert aufs Neue: "Weißt du noch? War schön damals." e
Liebe Leserinnen und Leser, hat eine schal gewordene Freundschaft noch Chancen? Darf man dem Freund, der Freundin sagen: "Ich möchte nicht mehr! "? Schreiben Sie uns über www.chrismon.de. Susanne Breit-Keßler können Sie auch auf dem chrismon-Podcast "Segensreich" hören