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Martina freut sich. Ihr Kinospot, den sie entwickeln sollte, ist fertig. Er wirbt für gesunde Babynahrung, ein Produkt, hinter dem sie wirklich stehen kann. Nachher wird sie ihre Arbeit den Kollegen und dem Chef vorstellen – mal sehen, was die sagen. Rolf und Clara schauen ihr begeistert über die Schulter: „Toll, wie du das machst! Super!“ Martina freut sich. Wenn die beiden das so sehen, wird nachher bestimmt alles laufen. Schwungvoll präsentiert sie ihre Ideen. Anschließend bittet der Chef sie kurz hinaus. Er will erst einmal ohne sie den Entwurf diskutieren.
"Es tut mir so leid!" Wirklich?
Martina wird wieder in den Besprechungsraum gerufen. Zu wenig jung sei der Spot, wird ihr gesagt. Es fehle an Frische. Wahrscheinlich sollte jemand anderes sich dranmachen, die Babynahrung zeitgemäß zu bewerben. Martina ist wie vor den Kopf geschlagen. Wieso hat ihr vorher keiner was gesagt? Warum haben alle so getan, als wäre ihr Konzept das richtige? Als sie wieder an ihrem Platz steht, kommt Rolf und nimmt sie tröstend in den Arm. Clara sagt: „Es tut mir so leid. Du hast dich so angestrengt. Wie geht es dir denn jetzt?“ Martina wird speiübel. Diese elenden Heuchler!
Was tun, wenn Menschen, denen man vertraut, einem frech ins Gesicht lügen? Wenn man erfährt, dass sie hinterrücks alles tun, um einem zu schaden? Und dann kommen, um erneut verlogen-freundlich aufzutreten – als wäre nichts gewesen? Schlimmer: wenn sie einen trösten wollen für das, woran sie selbst nach Kräften mitgewirkt haben? Wir sollen unsere Feinde lieben, heißt es in der Bibel, weil es keine Kunst ist, die zu mögen, die einen auch gernhaben. Natürlich ist es richtig, im Angesicht von Heuchelei anständig zu bleiben. Man will sich ja nicht selbst auf niedriges Niveau begeben.
Manches wird man auch gelassen ertragen, weil es gar nicht die Mühe lohnt, jede kleine Gemeinheit zu enttarnen. Aber von permanenter Selbstverleugnung ist biblisch nicht die Rede. Im Gegenteil. Wer Nächste und Fernste, wer seine Gegner respektiert, der darf auch ein Auge auf sich selbst und das eigene Wohlbefinden haben. Dazu gehört es, gegebenenfalls Klartext zu reden. Andere damit zu konfrontieren, was sie Dritten gegenüber an Hetze und Kritik geäußert haben. Wichtig ist dafür, nicht gleich spontan loszulegen – Wut ist eine sehr schlechte Ratgeberin.
Manchmal hilft nur Distanz. Und ein klares Signal
Man kann sich Zeit nehmen und überlegen: Wie verlässlich ist meine Information – damit man sich nicht mit ungerechten Vorwürfen selbst deklassiert. Wichtig ist auch, sich darüber klarzuwerden, was einen an der Heuchelei so trifft. Das macht es dann leichter, andere nicht emotional anzugreifen, sondern ihnen zu zeigen, wie ehrliche Kommunikation geht. Und welchen Respekt man für sich selber einfordert – dass man dem anderen ein offenes Wort wert sein möchte.
Trotzdem kann es sein, dass das alles nichts bringt. Das Gegenüber ist vielleicht zu feige oder zu faul, sich der Mühe einer Auseinandersetzung zu unterziehen und sich zu entschuldigen. „In ihrem Munde ist nichts Verlässliches; ihr Inneres ist Bosheit. Ihr Rachen ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen heucheln sie“, heißt es schon im Alten Testament. Da hilft nur Distanz – und ein klares Signal, was man von der oder dem anderen keinesfalls mehr haben möchte, weil es unehrlich und damit verletzend ist: Nähe, körperliche Berührungen, Gespräche, in denen so getan wird, als sei alles in schönster Ordnung.
Man sollte es sich einfach gönnen – den Umgang mit Menschen, die anders als im Psalm zuverlässig und warmherzig sind, die die Wahrheit sagen, auch wenn sie unbequem ist.
Heuchler
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Was tun?
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