Thomas Meyer
Darf man Waffengewalt anwenden? Jede Entscheidung darüber hat mit Schuld zu tun. Das Dilemma ist unausweichlich
Irmgard SchwaetzerJulia Baumgart
19.10.2014

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Diesen programmatischen Satz formulierte der Ökumenische Rat der Kirchen 1948 kurze Zeit nach dem Ende des ­Zweiten Weltkrieges bei seiner Gründungsversammlung in Amsterdam. So klar und doch so schwer einzuhalten.

Was aber, wenn anderen wirklich jedes Mittel recht ist, um ihre Ziele durchzusetzen? Was, wenn Vertreibung, Massenmord und Menschenrechtsverletzungen Jesiden, Christen und viele Menschen anderer ­Religionen im Nordirak bedrohen?

Wie vielerorts, so wird auch in der evangelischen Kirche diskutiert, welches die richtigen Mittel sind, um die von den IS-Milizen ausgehende brutale Gewalt zu neutralisieren. Sind Waffenlieferungen an die nordirakischen Kurden gerecht­fertigt, die den Kampf gegen die IS-Milizen aufgenommen haben? Bereits in der Friedensdenkschrift von 2007 hatte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) festgestellt, dass der Einsatz von Gewalt für Christen als letztes Mittel in Frage kommen kann, um Völkermord oder andere schwerste Menschenrechtsverletzungen zu stoppen. Diese „rechtserhaltende Gewalt“ müsse aber begleitet sein von Anstrengungen zum Aufbau verlässlicher rechtsstaatlicher Strukturen. Denn nach dem Ende der Gewalt soll ein sicheres Umfeld für die dann zurückkehrenden Flüchtlinge bestehen.

Als der Rat der EKD diese Position im September im Blick auf die Lage im Nord­irak bekräftigte, hat er damit eine ethische Grenze formuliert. Obwohl niemand weiß, ob diese Anstrengungen tatsächlich zum gewünschten Erfolg führen – wenn sie denn ergriffen werden. Niemand kennt auch die Risiken, die in einer möglichen Weitergabe von Waffen liegen.

Die Alternative? Die Alternative wäre, sich herauszuhalten, weil „Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll“. Meine Frage ist dann aber: Wie können wir das mit der christlichen Ethik des Neuen Testaments, jederzeit für die Schwachen einzustehen, vereinbaren?

Aus diesem ethischen Dilemma kommt niemand heraus, ohne sich einzugestehen, dass jede mögliche Entscheidung über den Einsatz von Gewaltmitteln mit Schuld verbunden ist. Ich kann gut verstehen, wenn Christen grundsätzlich Nein zur Waffengewalt sagen. Aber persönlich finde ich: Wir müssen handeln.

Entschlossen Handeln im ethischen Dilemma

Zum Schutz der Flüchtlinge sind erst einmal wir alle gefordert, damit noch vor dem Einbruch des Winters geschützte Unterkünfte bereitgestellt werden können und genug Nahrungsmittel. Ihre Spende für die Diakonie Katastrophenhilfe hilft direkt den Flüchtlingen zu überleben (s. u.).

Man muss leider sagen: Nach Ende des Irakkrieges 2003 wurde nicht entschlossen genug am Aufbau innerstaatlicher Strukturen gearbeitet, die alle Volksgruppen und Religionen verlässlich beteiligen und so ein friedliches Zusammenleben ermöglichen. Es ist der Weltgemeinschaft  – über den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – auch nicht gelungen, den Grund für ein Ende der Macht des syrischen Diktators Assad zu legen.

Wer Gewalt beenden will, der muss das Gewaltmonopol der Ver­einten Nationen bejahen und stärken. Und dann auch die Mittel zu seiner Durch­setzung geben, wie wir auch der Polizei die Mittel geben, um friedliches Zusammen-
leben zu schützen.

Wer kriegerische Gewalt beenden will, muss in dem ethischen Dilemma, in das uns die fortgesetzte Gewalt zwingt, entschlossen handeln, muss seine Schuld an­nehmen und bekennen und um Vergebung bitten. Nichtstun angesichts der ­brutalen Gewalt befreit niemanden von uns aus diesem Dilemma.

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