Evelyn Dragan
15.11.2010

"Ehrenamt klingt irgendwie uncool", sagt mir ein junger Mann. "Freiwilliger" finde er besser. Warum ist das wohl so? War früher die Ehre eher mit einem Amt verbunden, das der Mensch freiwillig innehat, also unbezahlt, nicht zum Broterwerb? Oder ist der Begriff Ehre nicht mehr geläufig? Auf jeden Fall hat sich die Synode der EKD, die in diesem Monat tagt, das Thema zum Schwerpunkt gewählt.

Ohne Ehrenamtliche oder eben Freiwillige kann weder unsere Gesellschaft noch unsere Kirche existieren. Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen beschäftigen etwa 650 000 Menschen hauptamtlich. Es werden, so die offizielle Statistik, 1 103 941 ehrenamtlich Mitarbeitende gezählt. Das sind zum Beispiel diejenigen, die einen Posaunenchor leiten, Hausaufgabenhilfe organisieren, einen Basar durchführen. Viele der Hauptamtlichen sind zudem ehrenamtlich tätig. Eine Pflegerin sagte mir, sie könne den Menschen in der bezahlten Zeit einfach nicht gerecht werden. Was sie drauflege, sehe sie als ihr Ehrenamt.

Die Erwartungen freiwillig Engagierter haben sich verändert

Eine Untersuchung hat gerade gezeigt, dass sich die Erwartungen und Motive freiwillig Engagierter in den vergangenen Jahren deutlich verändert haben. Sie erwarten stärkere Mitspracherechte und eine angemessene - das bedeutet nicht unbedingt eine finanzielle - Anerkennung ihres Engagements, sie wollen selbstständig arbeiten und Verantwortung übernehmen. Es ist wichtig, das zu sehen. Zum einen zeigt es, dass Menschen ihr Ehrenamt ernst nehmen. Zum anderen, dass wir eine Kultur der Anerkennung, der Wertschätzung entwickeln müssen.

Das hat Folgen für die Hauptamtlichen:

Es geht darum, eine Art Freiwilligenmanagement zu betreiben, das heißt: es als eine ihrer Aufgaben anzusehen, Freiwilligenengagement zu ermöglichen und zu koordinieren. Und Freiwillige zu gewinnen, denn die Studie zeigt auch, dass die meisten Menschen sich ehrenamtlich engagieren, weil sie ganz konkret für eine Aufgabe angefragt wurden.

Inzwischen gibt es Freiwilligenbörsen, bei denen sich Menschen mit ihren jeweiligen Kompetenzen melden können. Manch hoch qualifizierter Pensionär wendet sich nämlich wieder enttäuscht ab, wenn seine Fähigkeiten nicht gesehen werden und allein das Austragen des Gemeindebriefes vor Augen schwebt. Nachfrage und Angebote lassen sich sicherlich genauer koordinieren. Denn es gibt viele Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, aber ihre Lebenserfahrung gut einbringen können. Bei einem Kirchenkreisbesuch habe ich wirtschaftlich erfahrene Schuldnerbegleiter kennengelernt. Da die Wartelisten bei den Schuldnerberatern immer länger werden, helfen diese Begleiter den verschuldeten Menschen schon einmal, ihre Papiere zu sortieren, Gläubiger zu informieren, Klärungen vorzunehmen. So beschleunigen sie die Entschuldung.

Eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung

In den USA wird schon in Schulzeugnissen festgehalten, wo Jugendliche sich freiwillig engagieren. Auch in Bewerbungen spielt solch bürgerschaftliches Engagement eine Rolle. Vielleicht sollten wir das einführen, denn es bedeutet auch einen Schritt auf dem Weg zu einer Kultur der Anerkennung und Wertschätzung.

Letztlich geht es um eine Lebenshaltung: Ich habe Gaben, die mir anvertraut sind, und bringe diese Gaben ein für das größere Ganze. Wie sagt die Bibel: "Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb! " Ob das nun als Ehrenamt oder als Freiwilligendienst bezeichnet wird, ist zweitrangig.

Obwohl - ich finde, es ehrt einen Menschen, wenn er ein solches Amt übernimmt.

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