Um 1180 wurde Wittenberg erstmals urkundlich als Burgwadium erwähnt. Mehr als 100 Jahre später (1293) erhielt Wittenberg das Stadtrecht. Wirkliche Bedeutung erlangte die Stadt im Jahr 1502 mit der Gründung der Universität durch Kurfürst Friedrich III., auch Friedrich der Weise genannt. Er holte bekannte Leute wie Lucas Cranach d. Ä. und Albrecht Dürer nach Wittenberg. Martin Luther (1483-1546) verbrachte die längste Zeit seines Lebens, rund 35 Jahre, in der Stadt. Erstmals kam er 1508 nach Wittenberg. In einer Sinnkrise stürzte er sich ins Theologiestudium. Als Mönch zog er ins neu gebaute Augustinerkloster, das er später als Ehemann und Vater bewohnte.
Der Begriff Reformation bezeichnet die kirchliche Erneuerungsbewegung, die im 16. Jahrhundert von Deutschland ausging und Europa grundlegend veränderte. Ihr Ausgangspunkt war die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther (1483-1546) im Jahr 1517. Nach Martin Luthers Thesenanschlag im Jahre 1517 wurde Wittenberg Zentrum der Reformation, auch weil der Kurfürst seine schützende Hand über den Reformator hielt. Die 95 Thesen, die Martin Luther am 31. Oktober 1517 veröffentlichte, waren eine Aufforderung zur Diskussion unter Gelehrten - in Latein geschrieben unter der Überschrift "Disputation zur Klärung der Kraft der Ablässe". Luther (1483-1546) wandte sich damit zu dieser Zeit nicht gegen den Ablass an sich, sondern gegen den Handel mit Ablassbriefen. Die Ablassprediger, die durch das Land zogen, versprachen den Menschen, sie könnten sich von allen Sünden und damit von den Strafen im Fegefeuer (der Vorhölle) freikaufen. "Unausweichlich wird deshalb das Volk betrogen durch jene großspurige Zusage erlassener Strafe", kritisiert Luther. Entscheidend sei aber die Reue, betont er: "Jeder wahrhaft reumütige Christ erlangt vollkommenen Erlass von Strafe und Schuld." Doch wer sich freikaufe, entwickele keine Reue.
Kampf gegen die Papstkirche
Sicher ist, dass Luther die Thesen am 31. Oktober an die Bischöfe Albrecht von Mainz und Hieronymus Schultz von Brandenburg schickte. Ob er selbst oder ein Bediensteter der Universität sie an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg nagelte oder heftete, wie für Disputationen durchaus üblich, ist umstritten. Es gibt keine Berichte von ihm oder von Augenzeugen. Erst später schrieb sein Mitstreiter Philipp Melanchthon (1497-1560) darüber, der aber 1517 noch nicht in Wittenberg war. Anliegen Luthers, der von der Suche nach einem gnädigen Gott getrieben wurde, war die Erneuerung der römisch-katholischen Kirche und deren Rückbesinnung auf ihren geistigen Ursprung im unverfälschten Wort der Bibel. Weil die mittelalterliche Papstkirche zunächst eine Reform verweigerte und Luther zum Ketzer erklärte, bildeten sich evangelische Landes- und Freikirchen - was Luther ursprünglich nicht beabsichtigt hatte.
Als führende Köpfe der Reformation gelten neben Luther vor allem Johannes Calvin (1509-1564) in Genf und Ulrich Zwingli (1484-1531) in Zürich. Auf sie berufen sich heute weltweit die reformierten Christen, neben den Lutheranern der zweite große Zweig im Protestantismus. Der Reformation schloss sich eine breite gesellschaftliche Bewegung an, in der sich Vertreter aller Stände - vom Adel bis zu den Bauern - im Kampf gegen die Papstkirche zusammentaten. Die Ausbreitung der Reformation war von sozialen Unruhen wie den Bauernkriegen begleitet. Und sie führte zu Machtkämpfen zwischen Landesfürsten. Diese endeten in einer territorialen Spaltung, die 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden besiegelt wurde. Heute erinnern Protestanten in aller Welt jährlich am Reformationstag (31. Oktober) an den Beginn der Reformation.
(Text: epd; Texte Bildergalerie: Manon Priebe)