Im arabischen Restaurant "Karawane" hat der Betreiber Majdi Sanouri ein Buffet mit panierten Schnitzeln und Tomate-Mozzarella ausgebreitet. Frisch aufgebrühten Minztee und Apfelschorle bringt er an die Tische
Lino Wimmer
Kein einsames Weihnachten
"Alle sind bei ihren Familien, nur ich nicht"
Seit zehn Jahren bietet das Jakobforum in Aachen eine Weihnachtsfeier an. Es kommen Menschen, deren Kinder verreist oder weit weg sind. Und Menschen, denen die Nachrichtenlage zu schaffen macht
Lino WimmerLisa Bittner
27.12.2024
4Min

Ein wenig geisterhaft stehen die verriegelten Weihnachtsmarktbuden im Aachener Nieselregen. Der Morgen vor Heiligabend ist grau. Wo man sich vor wenigen Stunden noch mühsam einen Weg durch die glühweinselige Menge bahnen musste, stromern nun ein paar verstreute Wintertouristen durch die verlassenen Gassen zwischen Marktplatz und Elisenbrunnen. Während die meisten Bewohner der Stadt einem Abend im Kreis der Familie entgegensehen, finden im Forum Jakob, unweit der vorweihnachtlich entvölkerten Altstadt, Gesellschaft suchen am 24. Dezember.

Seit zehn Jahren bieten die Gemeindereferentin Marita Delheid und eine Hand voll Unterstützerinnen eine kostenlose Weihnachtsfeier im Gemeindehaus der Pfarre St. Jakob an. Es ist eine von vielen Weihnachtsaktionen, zu denen Nutzerinnen und Nutzer der Nachbarschaftsplattform nebenan.de einladen. Mit seinen hohen Decken und den blaugrauen Vorhängen würde das Foyer im Gemeindehaus eher an einen Kongress denken lassen, wären die Tische in dem Raum nicht mit Tannenzapfen, Christbaumkugeln und Stollen gedeckt. Es ist kurz nach elf Uhr. Die vierzig Gäste haben sich festlich in Schale geworfen, manche extravagant mit knallroten Flanell-Leggins oder mit kniehoch geschnürten Stiefeln, andere klassisch in Anzug oder Kleid.

"Hat jemand ein Gedicht oder Lied mitgebracht?", fragt Marita Delheid in die Runde. Eine Besucherin will eine Geschichte vorlesen. Es geht um ein älteres Paar, dessen Auto nach einem Besuch auf dem Aachener Weihnachtsmarkt verschwunden ist. Dann begegnet ihnen eine Gruppe Studierender, die nach ein paar Klicks auf dem Laptop Entwarnung geben: Das Auto ist nur abgeschleppt! Und mit welchen Bussen sie zum Abschleppservice gelangen, diese Info gibt es gleich noch hinterher. Kichern und Nicken in der Festgesellschaft. Für sie sei das wie ein kleines Weihnachtswunder, erzählt die Frau, diese unerwartete Begegnung mit den zugewandten, hilfsbereiten Studierenden.

Lesetipp: Eine chrismon-Serie über das Ehrenamt und die Menschen, die sich dafür begeistern können

"Alle sind bei ihren Familien, nur man selber nicht, weil die Kinder verreist sind", erzählt Erika* später bei Hummus, Falafel und Linsensuppe im Restaurant "Karawane". Nach dem Weihnachtslieder singen, Geschichten erzählen und Christstollen essen im Foyer ist das gemeinsame Essen die zweite Hälfte des Weihnachtsprogramms im Forum. Um Weihnachten, sagt Erika, läuft im Fernsehen "Sissi", "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" und die Torsten-Sträter-Show. Wenn man sich das anschaue, sei um einen herum dann alles wunderbar, alle sind fröhlich und lachen.

chrismon Spendenabo doppeltgut
doppeltgut
Digitales Spendenabo abschließen und weiterlesen

4 Wochen gratis testen, danach mit 10 € guten Journalismus und gute Projekte unterstützen.
Vierwöchentlich kündbar.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.