Ich überquere jeden Morgen zu Fuß dieselbe relativ gefährliche Kreuzung. Vierspurige Straße, dazu noch eine U-Bahn, die schnell aus einem Tunnel hochschießt. Man könnte viel Zeit sparen, wenn man schon mal bei Rot bis zur Mitte der vierspurigen Straße ginge. Mach ich aber nicht, denn mit mir warten viele Grundschulkinder. Heute Morgen flitzte ein Vater mit seinem Lastenrad und zwei kleinen Töchtern drin an mir vorbei bei Rot und ich dachte: Bin ich denn hier der Depp? Für deine Kinder stehe ich doch hier?
Stefanie Schardien antwortet:
Ohne Umschweife: Nein, Sie sind nicht der Depp. Wie oft haben wir als Kinder in vergleichbaren Situationen gehört: Und wenn dein Freund aus dem Fenster springt, springst du dann hinterher? Lassen Sie sich von jenen, die Fehler machen, nicht dazu verleiten, Ihre sinnvolle Haltung über Bord zu werfen.
Was den Vater dazu gebracht hat, sich und seine Töchter und womöglich andere, hinterherlaufende Kinder zu gefährden? Vermutlich wohl kaum echte Überzeugung, sondern die ungute Kombi aus Zeitnot und dem morgendlichen Familienleben ("Wie? Ich? Ich dachte, du fährst zur Kita?!") – und ruckzuck ziehen im Dilemma die rote Ampel und der Wille, gutes Vorbild zu sein, den Kürzeren.
Als es mir vor kurzem wie Ihnen ging, habe ich zu den mit mir wartenden Kindern gesagt: "Puh, supergefährlich, was der gemacht hat. Ich bleib lieber stehen!" Der radelnde Vater hört das in Ihrem Fall natürlich nicht mehr. Aber da setze ich nun umgekehrt auf meine Erfahrung als gestresste Mutter: Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Töchter das übernommen haben: "Papa!! Da war ROT!!"