Dieses Interview ist im Dezember 2023 erstmals erschienen. Uwe Stammer badet immer noch jeden Tag und nimmt an der Deutschen Meisterschaft im Eisbaden 2024 teil.
Waren Sie heute schon im Wasser?
Uwe Stammer: Ja, gerade eben um 15 Uhr. Wasser 3 Grad, Luft 1 Grad, beißender Wind. Neulich hatten wir Frostwetter, es lag Schnee, das ist selten hier auf der Insel. Aber zum Baden war es sogar angenehmer mit der klaren Luft. Aber auch heute waren wir mehr als zehn Frauen und Männer.
Uwe Stammer
Im Dezember in die Nordsee hüpfen - wie kam es dazu?
Im September war es lange ungewöhnlich warm. Ich betreibe einen Supermarkt, das Saisongeschäft ging zu Ende, ich hatte wieder etwas mehr Zeit. Also bin ich ins Wasser, es hatte noch 22 Grad. Irgendwann war mir klar: Uwe, du warst seit dem 10. September jeden Tag drin. Am 18. Dezember habe ich zum 100. Mal in Folge gebadet.
Herzlichen Glückwunsch! Mittlerweile baden Sie nicht mehr allein. Warum?
Ich stellte Badefotos in meinen Whatsapp-Status. Beim Bäcker sprach mich eine Frau an, ob sie mal mitkommen könne. Natürlich, ich bin ein offener Mensch! Mitte Oktober machten Tom und Sascha mit, an dem Tag hatten wir sogar eine leichte Sturmflut. Sie stellten ebenfalls Fotos in ihren Status, und so wurden wir mehr. Durch die Instagram-Gruppe "Schwimmen mit Uwe" nahm das Ganze Fahrt auf. Einmal waren 23 Menschen auf einmal im Wasser. Bisher sind 105 verschiedene Leute mit mir geschwommen, über 40 sind in unserer Whatsapp-Gruppe vertreten.
Wie lange bleiben Sie im Wasser?
Das entscheidet jede und jeder für sich. Manche gehen nach einer Minute raus, ich war heute fünf Minuten drin. Jetzt glühe ich auf dem Sofa durch, wie wir hier im Norden sagen - ich werde also wieder warm. Das ist super entspannend und fühlt sich toll an.
Wie wirkt sich das Winterbaden aus?
Es geht mir körperlich sehr gut. Ich habe keine Knochen-, Muskel- oder Rückenschmerzen mehr. Und ich war noch nicht erkältet, seitdem ich bade, auch wenn davor natürlich niemand gefeit ist. Das Baden tut auch der Seele gut. Eine Frau sagte zu mir: "Diese Gewohnheit trägt mich durch die dunkle Jahreszeit." Man sieht die Veränderung auch auf den Fotos auf Instagram – vorher gucken alle skeptisch, aber im Wasser und nach dem Schwimmen lachen alle. Es setzt Glückshormone frei, sich der Kälte auszusetzen.
Kannten Sie Ihre Mitbadenden vorher?
Ja, viele vom Sehen, aber wir kannten einander nicht richtig gut. Wir haben unterschiedliche Berufe, Lebensgeschichten und Hintergründe. Wir haben zusammengefunden, alle können kommen und mitbaden - und so einmal am Tag zusammen mit anderen etwas Besonderes erleben. Wir waren auch schon abends gemeinsam in der Kneipe oder haben nach unserem Eisbad einen Glühwein getrunken.
Was raten Sie Menschen, die es mal versuchen wollen mit dem Eisbaden?
Wenn man jetzt im Winter anfangen möchte, muss man sich erst mal abhärten und zu Hause kalt duschen oder Wechselduschen abhalten. Und: Nicht allein ins Wasser gehen! Es schadet überhaupt nicht, sich vorher beim Hausarzt durchchecken zu lassen, denn Eisbaden ist nichts für Menschen, deren Blutdruck und Herz nicht in Ordnung sind. Kurz gesagt: Man muss gesund sein.
Sie tragen immer alle Mützen oder Badekappen im Wasser – warum?
Sie schützen uns gegen die Kälte, damit wir über den Kopf nicht noch mehr Wärme verlieren.
Einerseits haben Sie es leicht, leben an der Nordsee, ideal zum Baden. Aber es gibt Ebbe und Flut, das Wasser ist nicht immer da ...
Stimmt, ich habe nur 200 Meter bis zum Strand. Ein echtes Privileg! Wir haben gemerkt: Drei Stunden vor und nach dem Hochwasser passt es schon beziehungsweise noch. In dieser Woche sind wir um 15 Uhr im Wasser. Am Montag, unserem Jubiläum, gehen wir um 16 Uhr rein. In den folgenden Tagen wird es früh, 7.15 Uhr. Das diktiert uns die Flut, aber es ist natürlich fies - vom warmen Bett ins kalte Wasser. Die Gezeiten haben den Vorteil, dass wir uns auch mal aufteilen können, je nachdem, wer welche Termine hat. Manche gehen morgens, andere später, wenn das Wasser wiederkommt. Das verabreden wir in unserer Whatsapp-Gruppe.
Sie haben einen berühmten Schwimmgenossen. Der Comedian Wigald Boning badet mittlerweile über 500 Tage in Folge und hat ein Buch darüber geschrieben. Haben Sie ihn eingeladen auf die Insel?
Wir haben gesehen, dass er im Mai eine Lesung hier auf Föhr macht. Also, lieber Wigald: Wir gehen stark davon aus, dass wir gemeinsam baden! Es ist wirklich nett bei uns, oft bleiben wir noch kurz beieinander und klönen über Gott und die Welt. Nur heute sind alle schnell ihrer Wege gegangen. Es war einfach zu kalt.