Eizellenspende oder Leihmutterschaft: Gibt es ein Recht auf Kind? Sigrid Graumann und Julia Dahlkamp diskutieren während ihrer Begegnung in Köln
Ethikerin Sigrid Graumann (li.) und Gynäkologin Julia Dahlkamp
Sigrid Graumann
Kinderwunsch
Gibt es ein Recht auf ein Kind?
Ein Baby, entstanden durch Eizellspende oder ausgetragen von einer Leihmutter: in Deutschland nicht erlaubt. Gut so!, sagt die Ethikerin. Die Ärztin ist nicht damit einverstanden. Eine Begegnung, zwei Meinungen
Tim Wegner
Tim Wegner
Aktualisiert am 23.08.2024
10Min

chrismon: Angenommen, Ihre beste Freundin erzählt, sie möchte eine Leihmutter engagieren, wie reagieren Sie?

Julia Dahlkamp: Ich würde zuerst fragen: Warum . . . ?

Sigrid Graumann: Ich auch!

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Eine Methode zur künstlichen Befruchtung, lateinisch für "Befruchtung im Glas", abgekürzt IVF.Dazu werden der Frau befruchtungsfähige Eizellen entnommen und im Reagenzglas Eizelle und Samen­zelle des Partners ­verschmolzen und der Frau eingesetzt. In Deutschland ist diese Behandlung zulässig, die gesetzlichen ­Krankenkassen übernehmen unter ­bestimmten Voraussetzungen 50 Prozent der Kosten für drei Behandlungs­zyklen.

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Eine Leihmutter ist ­eine Frau, die ein Kind austrägt und einer ­anderen Person oder ­Familie überlässt. In Deutschland ist Leihmutterschaft ­verboten, in Groß­britannien erlaubt, aber nur, wenn die Leihmutter für ihre Dienste nicht bezahlt wird. Kommerzielle Leihmutterschaft, wo die Frau ­finanziell für die Schwangerschaft ­entlohnt wird, ist zum Beispiel in Indien, ­einigen US-Staaten, und der Ukraine ­erlaubt.

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Eine Frau unterzieht sich einer hormonellen Behandlung, die die Produktion und Reifung von Eizellen anregt. Anschließend werden ihr reife ­Eizellen entnommen, im Reagenzglas (IVF) mit den Spermien des Wunschvaters ­befruchtet, dann der Frau eingesetzt, die das Kind aus­tragen und großziehen will. Die biologische Mutter ist nicht die soziale Mutter. Erlaubt ist die Eizellspende in vielen Ländern, ­etwa in Spanien und Tschechien, in Deutschland nicht.

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Tochter Zion?
Eine wirkliche Triumpf-Melodie, von denen es sonst kaum welche gibt.

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Sehr geehrte Redaktion,
die Diskussion "Gibt es ein Recht auf ein Kind?" behandelt das Thema als reine Frauenfrage. Welche Rolle spielen Männer bei der Frage "Recht auf ein Kind", "unbedingter Kinderwunsch"? Haben die Expertinnen auch dazu eine Meinung? Wenn es zu rechtlichen Regelungen kommt, werden in der Mehrzahl Männer abstimmen.
Mit freundlichen Grüßen

Renate Hoischen

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Liebe Frau Graumann, liebe Frau Dahlkamp,
mit großem Interesse habe ich heute die aktuelle chrismon gelesen. Eine Nachbarin brachte sie mir vorbei, denn sie fand die Titelgeschichte „Was für’n Glück“ so passend für uns. Im Februar haben wir unser drittes Kind, unseren zweiten Sohn, bekommen und er hat uns nach seiner Geburt seiner Trisomie 21 überrascht. Mit Freude habe ich die Zeitschrift entgegengenommen und auch den Artikel gelesen. So herzlich, so ehrlich und so passend, fand ich diesen und auch die Väterrolle. Die kommt leider in der Literatur noch immer zu kurz.
Dann blätterte ich weiter und bin auf ihren Artikel gestoßen und ja, was soll ich sagen, gleich zwei Artikel in der aktuellen Zeitschrift passen zu uns. Wir haben nämlich drei Kinder mit Hilfe von einer Eizellspende bekommen. Nein, mein Mann und ich können keine genetisch eigenen Kinder zusammen bekommen. Nein, wir sind nicht über 40, haben zu lange gewartet, weil wir erst Karriere machen wollten oder weil es noch nicht passte. Nein, wir haben keinen Kinderwunschmarathon hinter uns (zumindest nicht aus meiner Sicht) und schöpften die Eizellspende als letzte Möglichkeit.
Warum also Eizellspende? Ich bin mit 18 Jahren an einem Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt und dieses betraf auch meine Eierstöcke. Ich wurde von tollen Ärzten begleitet, die mir damals immer wieder sagten, dass es sehr schwierig werden würde, wenn nicht sogar unmöglich eigene Kinder zu bekommen. Dann lernte ich meinen Mann kennen (auch Mediziner) und irgendwann wollten wir Kinder zusammen haben. Damals war ich 27 und mein Mann 25. Wir wussten, es wird schwierig, aber da wir beide Optimisten sind, haben wir uns gesagt, wir probierens und wenns nicht klappt, adoptieren wir Kinder. Nach einer Vorstellung in einer großen Uniklinik wurde schnell klar, es wird nicht klappen. So setzten wir uns auf die Warteliste für eine Adoption. Das letzte Gespräch mit unserer Ärztin verlief dann ganz anders als gedacht. Ihr letzter Satz war: Denken sie mal über eine Eizellspende nach. Puh, das war schwierig. Wir sind beide christlich geprägt, nicht durch und durch gläubig, aber schon so, dass wir Nächstenliebe hoch ansehen und auch ethisch einige Bedenken hatten. Wir haben nächtelang diskutiert, wir haben mit unseren Eltern gesprochen, mit engsten Freunden, uns die Finger wundgegooglet, recherchiert und zum Schluss ein Paar getroffen, welches den gleichen Weg ging und zwei Kinder hat.
So begann unser Weg in Spanien und endete letztes Jahr. Heraus kamen drei wunderbare Kinder, die meine sind und dank einer tapferen Frau auf dieser Welt sein dürfen.
Sie kennen sich aus in der Thematik. Was hätten wir vorher testen, bestimmen und machen können. Wir haben nichts gemacht, gewartet und gehofft. Und ja, auch ein Kind mit Trisomie 21 kann durch Eizellspende und junge Spenderinnen entstehen. Es ist unser Kind!

Owei, nun ist der Text sehr lang. Was möchte ich damit sagen?
Auch Frauen, die eine Eizellspende in Anspruch nehmen, setzen sich intensiv ethisch mit dem Thema auseinander.
Die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, die genetisch nicht von mir sind, hat uns viele Nächte gekostet. Denke ich an die Kinder in meiner Schule (ich bin Grundschullehrerin in einem sozialen Brennpunkt mit regelmäßigem Kontakt zu Jugendämtern etc), so wünsche ich mir immer, dass sie in einer Familie sind, wo sie geliebt werden. Das sind unsere Kinder!
Unsere Tochter weiß über die Spende Bescheid und auch, dass sie leider anonym ist. Und was war ihre erste Reaktion? Mama, das tut mir sehr leid, dass du eine Zeit hattest, in der du so traurig warst. Ich bin glücklich, dass ich bei dir bin!
Es wird immer schwierig bleiben, das wird es aber auch ohne Eizellspende in manchen Lebensphasen.
Ich weiß nicht, ob meine Kinder gegen uns und unsere Entscheidung rebellieren, ich weiß nicht, ob ich irgendwann einen Zusammenbruch bekomme, weil ich dieses Wagnis angegangen bin, ich weiß nicht, ob es uns so einholen wird, dass ich daran zerbrechen werde.

Ich weiß, ich bin froh, dass die ÄrztInnen mir damals das Leben gerettet haben und „verzeihe“ ihnen, dass sie mir nicht zu einer Eizellentnahme zur Konservierung geraten haben.
Ich weiß, dass die Spenderin selber nun Kinder hat und dass sie körperlich alles gut überstanden hat.
Ich weiß, dass meine Kinder, meine sind und eine andere Mutter haben sie nicht. Für mich ist es wie eine Organspende und das würde ich auch gerne machen, wenn eine Situation eintreten würde. Darf ich aber nicht, denn durch meine Chemo und die Bluttransfusionen komme ich als Spenderin nicht mehr in Frage.

Ich danke ihnen für ihr Gespräch, welches verschriftlicht wurde. Ich danke ihnen für einen Nachmittag mit Kindergewusel und vielen Gedanken zum Thema, welche immer wieder positiv wurden durch lautes Gelächter der drei oder durch „Mama, kleb mal kurz hier!“.

Das brauchen wir, Anregungen, die uns nicht vergessen lassen, wie toll und bunt das Leben sein sollte!

Herzliche Grüße,
P.H.

(Dieser Kommentar wurde redaktionell bearbeitet)

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Liebe chrismon-Redaktion,

mit Interesse las ich Ihre Diskussion zur Leihmutterschaft - vielen Dank dafür!

Leider lese ich zu diesem Thema nie über den Aspekt Kindeswohl, auch nicht in Ihrer Diskussion. Welche Auswirkungen hat es für Kinder, von einer Leihmutter ausgetragen, aber nach der Geburt getrennt zu werden? Wenn es nicht ideal für das Kind ist, ist es dann richtig, es trotzdem zu forcieren ob des Mutterwohls? Vielleicht kann man hierzu auch einmal etwas recherchieren.

Herzliche Grüße
Frauke Strache

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Die Problematik, dass beim "Bauch gehört mir" mitschwingt, dass Leben im Bauch der Schwangeren zerstört wird, wobei dazu schon Frau-Fremdes in den Bauch gelassen wurde,und an diesem Leben zwei Erwachsene beteiligt waren, wird in dem Artikel mit den Füßen getreten. Der einzigartige , nicht mit der Schwangeren identische Embryo wird um sein Lebensrecht gebracht.
Alous Lienhard