Ich bin unterwegs mit meinem iranischen Wanderfreund. An einem kleinen Flusslauf steigen wir hoch auf das Felsmassiv, das sich hinter Teheran erhebt. Fast 4000 Meter hoch ist der Gipfel des Tochal. Es ist Vormittag, aber es wird kaum hell. Wir gehen im Nebel. Die Sicht ist kurz. Die Stadt unter uns liegt unter einer Glocke aus Abgasen und Smog. Außer uns sind kaum Wanderer unterwegs.
Kirsten Wolandt
Die Geräusche um uns herum sind gedämpft. Aus der Ferne hören wir die Glocken einer Eselskarawane hinter uns näherkommen. Am Weg entlang gibt es Restaurants für die Wanderer, Gärten mit Walnuss-, Kirsch- und Maulbeerbäumen. Die Karawanen transportieren Lebensmittel, Gaskartuschen und große Futtersäcke dorthin. Bewirtschaftet wird das alles meist von jungen afghanischen Männern. Der Iran hat mehr als drei Millionen afghanische Flüchtlinge aufgenommen. Viele von ihnen leben seit vielen Jahren hier, in den letzten Wochen kommen immer mehr hinzu. Bis zu 5000 am Tag, sagt man.
Trägt eine teure Last
Die Glocken kommen näher. Mir fällt das alte Adventslied ein: Es kommt ein Schiff geladen. Der mittelalterliche Mystiker Johannes Tauler beschreibt darin bildhaft, wie Maria langsam der Geburt des Gotteskindes entgegengeht: Das Schiff geht still im Triebe, es trägt eine teure Last.
Die Eselskarawane ist bei uns angekommen. Wir treten auf dem schmalen Pfad beiseite, um sie durchzulassen. Vier oder fünf kleine weiße Esel, denen rechts und links Tragegestelle aufgeladen sind. Der Eselstreiber hat seinen Kopf gegen die Kälte mit einem turbanähnlichen Tuch umwickelt. Bald danach verschluckt der Nebel vor uns den Glockenklang.
In unserem afghanischen Nachbarland leiden Millionen Kinder in diesem Winter unter Kälte und Hunger. Ich denke daran, dass nur wenige Tage nach der Geburt die Heilige Familie mit dem Kind nach Ägypten fliehen muss.