Nie zuvor habe ich in einem Land gelebt, in dem der Krieg und seine Folgen so präsent sind wie hier im Iran. Die Straßen in unserer Gegend tragen die Namen von "Märtyrern". Auf Häusern zeigen große Wandgemälde Soldaten und Kämpfer. In der Metro gibt es Spielgewehre und -pistolen zu kaufen. Eines der wichtigsten Museen in Teheran ist das staatliche multimediale "Museum of the Islamic Revolution and the Holy Defense", in dem man den ersten Golfkrieg sozusagen live miterleben kann. "Heilige Verteidigung" ist der offizielle Name für den von 1980 bis 1988 andauernden Krieg zwischen Iran und Irak. Diese Zeit ist nicht weit weg. Sehr viele der Menschen, denen ich hier begegne, haben diesen Krieg noch miterlebt, haben vielleicht Freunde und Angehörige verloren.
Die Zahl der Reisegruppen aus Deutschland, die unsere Kirche besuchen, ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Das hat auch damit zu tun, dass manche schon den nächsten Krieg kommen sehen. Die Touristen, die dennoch hierher reisten, waren umso beeindruckter. Denn sie trafen auf offene Menschen, die statt einer Konfrontation das Gespräch und die Verständigung suchen.
Mich erstaunt, wie kontaktfreudig gerade auch ältere Frauen im Tschador sind. Der Tschador ist ein Ganzkörper- schleier, bei dem das Gesicht frei bleibt. Vielleicht ist das Interesse an Fremden kein Wunder in einem Land, das lange sehr isoliert war und immer noch ist. Vieles, was mir hier begegnet, bleibt widersprüchlich. So gibt es mitten in der Stadt auch ein kleines, vom Staat unabhängiges "Peace Museum". Es zeigt, wie sehr die Zivilbevölkerung unter jedem Krieg leidet, und wirbt dafür, sich in aller Welt für den Frieden einzusetzen. Einige der Museumsführer sind Veteranen aus dem Iran-Irak-Krieg.