Prathana ist Haushaltshilfe, verdient 90 Euro im Monat. Das muss für die Familie reichen. Ihr Mann Shivam war Fahrer für ein gutes Hotel und ist jetzt arbeitslos. Keine Gäste mehr. Immer wieder probiert er es als Tagelöhner. Hockt an der Straße, im Pulk mit fünfzig anderen Männern, und wartet, dass einer anhält, der irgendeine Arbeit hat. Die zwei Söhne lernen mit Mamas Handy in ihrer Onlineschule. Als die startete, hatten 80 Prozent der Schüler:innen keinerlei Onlinezugang. Schulgeld muss im Voraus gezahlt werden. Die beiden Jungs stehen geduldig in der Schlange, bekommen Reis und Linsen bei der Essenausgabe eines sozialen Projektes. So wie zweihundert andere Kinder, die jeden Tag hier warten. Trinkwasser ist teurer geworden. Prathana kauft es nicht.
Christoph Wildfang
Mit dem Virus ist es nicht mehr ganz so schlimm. Die Zahlen gehen zurück. Jeder kennt Geimpfte. Viele hatten auch Corona selbst. Sehr viele. Die Bilder vom Frühjahr haben sich in die Köpfe der Menschen eingebrannt. Gut, dass es jetzt "Delta" heißt, sagt man. "Wieder werden wir siegen", steht in Street-Art-Wandbildern auf vielen Mauern. Dazu Bilder der Helden im Kampf gegen das Virus: Rikschafahrer, die Kranke transportiert haben oder Sauerstoff. Ärzte, Menschen, die verwaiste Kinder betreuen. Gute, ermutigende Bilder. Die andere, düstere Seite ist bekannt.
Prathana lächelt und sagt zu alledem: "Kja karu, kja bolu?" (Was soll ich tun, was soll ich sagen?). Jetzt kommen erst mal die großen hinduistischen Festtage: erst Navratri, dann Diwali, das Lichterfest. Wir werden die Hoffnungslichter anzünden. Ich auch. 51 Stück auf meinem Balkon. Prathana lächelt. Wird besser. Alles wird besser. Bestimmt.