Landlust – Landfrust?
Landlust – Landfrust?
Kati Szilagy
Landlust – Landfrust?
Stefanie Schardien, Pfarrerin in Fürth und "Wort zum Sonntag"-Sprecherin, beantwortet für chrismon jeden Monat kniffelige Lebensfragen.
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24.06.2021

Johanna S. aus Frankfurt am Main fragt:

"Mein Partner will aufs Land ziehen. Dort sind Häuser erschwinglich. Seine Argumente: Altersvorsorge, Geldanlage, geförderte Solaranlage, Elektroauto, häufiger Homeoffice. Und endlich was Eigenes, sein Lebenstraum. Klar nerven mich auch der Lärm und die schlechte Luft. Aber ich will, trotz zu kleiner Mietwohnung, lieber hierbleiben. Wir haben eine tolle Nachbarschaft, die Kinder sind verwurzelt, der Weg zur Arbeit ist kurz. Er sagt: Nette Menschen gibt es überall. Wo wollen wir leben? Über die richtige Antwort streiten wir leider sehr oft! Soll ich nachgeben?"

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Stefanie Schardien

Stefanie Schardien wurde 1976 in Dortmund geboren und wuchs in der Herzlichkeit des Ruhrgebiets auf. Studium und Beruf führten sie an mehrere Orte: nach Heidelberg, Toronto und Bochum, zum Vikariat nach Hattingen/Ruhr, mit einer Juniorprofessur für Systematische Theologie an die Universität Hildesheim und als Kindergottesdienstpfarrerin nach Nürnberg Als Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern arbeitet sie seit 2016 im Team der Kirchengemeinde St. Michael in der Fürther Altstadt. Für Stefanie Schardien verbinden sich an diesem Ort die besten Eigenschaften von "Citykirche und Dorfgemeinde": "Die Gemeinde hat einen fröhlichen weiten Geist, der viel Kreativität ermöglicht; und gleichzeitig kennt man sich und kümmert sich umeinander." Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie darin, gemeinsam den religiösen Fragen nachzugehen und die Antwortversuche des Glaubens zu übersetzen. Und dabei immer wieder auch von der christlichen Freiheit zu erzählen. "Denn die kann es mit all der Angst aufnehmen, die im Moment geschürt wird." Schardien ist überzeugt, dass viele Menschen großes Interesse an Themen haben, mit denen sich Theologie und Kirche beschäftigen. Darum verlässt sie auch gern einmal die Kirchenmauern: Seit langem ist sie für das Radio tätig, aktuell mit Evangelischen Morgenfeiern auf BR 1, und engagiert sich als Präsidiumsmitglied beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Stefanie Schardien antwortet:

Ah, der neue Stadt-Land-Konflikt! Dachte ich beim ersten ­Lesen Ihrer Frage und schrieb flugs eine Antwort. So in der Art: Für alles gibt es ein Für und ein Wider. Letztlich kommt es drauf an, mit welcher Einstellung Sie und Ihr Partner herangehen, ob Sie die Vorzüge oder die Nachteile eines Lebensortes ent­decken wollen. Am Ende hielt ich inne. Denn vor meinem sicher klischeehaften, aber doch auch gesellschaftlich noch leider realistischen geistigen Auge tauchte die Landvariante auf: Ihr Partner im neuen geräumigen Home­office mit guter Luft, während Sie als Mutter mit Ihren Kindern im E-Auto von einem Sportverein zum nächsten Musik­unterricht in der Stadt fah­ren oder zur Schule, weil der Bus mal wieder nicht zu den Unterrichtszeiten passt.

Mit Sicherheit läuft es in Ihrer Familie ganz anders, und Sie ­haben die Familienarbeit ­gerecht geteilt . . . Dennoch, aus Ihren Argumenten höre ich ­heraus: Die städtische Nähe und Ihr gutes soziales Netzwerk ­halten die Reibungsverluste ­zwischen Familie und Job einigermaßen gering, für Sie und ­ Ihre Kinder. Und das ist viel wert. Ist damit die Landvariante vom Tisch? Nicht unbedingt. Aber Ihr Partner müsste neben den Planungen für Geld- und Solar­anlagen zumindest noch eins vorlegen: ein tragfähiges Konzept ­ für den familiären ­Alltag.

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