"Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden." Als Martin Luther King das am Lincoln Memorial in Washington sagte, vor 200 000 Menschen, da war seine älteste Tochter Yolanda sieben, seine Söhne Martin und Dexter fünf und zwei und seine Jüngste, Bernice, nicht einmal ein halbes Jahr alt. Es war der 28. August 1963. Und allen war klar: Der schwarze Baptistenprediger vorne am Mikrofon hat das Zeug, das Zusammenleben in den USA grundlegend zu verändern.
Nur wenige Monate zuvor schien der Schwung raus aus der Bürgerrechtsbewegung in den USA. Nach einjährigem Busboykott in Montgomery hatte der Oberste US-Gerichtshof die Rassentrennung zwar für verfassungswidrig erklärt. Parkbänke, Toiletten und Restaurants nur für Weiße gab es trotzdem weiterhin. Auch ein ganzes Jahr gewaltfreier Protest in Albany, Georgia, endete ergebnislos. Die Bewegung schien am Ende.
Anfang 1963, wenige Monate vor dem großen "Marsch auf Washington" und der "Ich habe einen Traum"-Rede beschloss die Bürgerrechtsbewegung, sich auf Birmingham, Alabama, zu konzentrieren. Hier gab es alles: Einen Staatsgouverneur, der offen zum Mord aufrief (Alabama brauche ein paar erstklassige Begräbnisse), einen für brutale Einsätze und offenen Rassismus bekannten Polizeipräsidenten und Bürger, die Bomben warfen – meist auf die Häuser von Schwarzen, die in die Viertel von Weißen gezogen waren. Die Bilder von damals gleichen denen der brennenden Asylunterkünfte heute in Deutschland. "Bombingham" nannten Zyniker die Stadt.
Die Bürgerrechtsbewegung wollte die Segregation in Birminghams Einzelhandel beenden, sie forderte gleiche Arbeitsbedingungen für alle, gleiche Einkaufsmöglichkeiten, Toiletten, Restaurant- und Hotelplätze, Parkbänke.
Weiße Pfarrer widersprachen ihm
Aber war das ein Job für Martin Luther King, der doch in Atlanta lebte, rund 250 Kilometer östlich von Birmingham? Und war es überhaupt der richtige Zeitpunkt? Der neu gewählte Präsident John F. Kennedy, durchaus ein Sympathisant der Bewegung und mit den Stimmen der Schwarzen an die Macht gekommen, hatte im Moment wichtigere Projekte. Das Mindestlohngesetz, ein Stausee in Pennsylvania, ein Abkommen mit den Sowjets über einen Atomteststopp. Kennedy musste seine Leute im Kongress zusammenhalten.
Außerdem war in Birmingham gerade ein neuer Bürgermeister gewählt worden, ein vergleichsweise liberaler. Warum sollte die Bürgerrechtsbewegung ausgerechnet ihm das Leben schwer machen?
Weil es jetzt wirklich Zeit wurde, genau jetzt. Am 3. April legten Demonstranten die Innenstadt lahm, mitten im Ostergeschäft. Martin Luther King war dabei und wurde bald verhaftet. Die Unterstützung bröckelte – nicht die der Schwarzen. Aber acht weiße Pfarrer schrieben einen offenen Brief: Wenn King die Rassengesetze ändern wolle, solle er das vor Gericht tun, nicht mit Protest auf der Straße. So säe er Hass und Gewalt.
Sein Traum blieb bis heute ein Traum
King antwortete mit einem Brief aus dem Gefängnis: Die Protestaktionen sollten "eine Krise herbeiführen . . ., um eine Stadt, die sich hartnäckig gegen Verhandlungen gesträubt hat, zu zwingen, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen." Schwarze Jugendliche strömten zur Sixteenth Street Baptist Church, von wo sie Richtung Innenstadt marschierten. Der Polizeipräsident ließ sie mit Feuerwehrschläuchen von der Straße spritzen und hetzte Polizeihunde auf sie. 959 Jugendliche wurden verhaftet. Die Fernsehbilder gingen um die Welt. Der US-Präsident musste handeln.
Nie gäben Unterdrücker von sich aus den Unterdrückten die Freiheit, auch das hatte King aus dem Gefängnis geschrieben. – Und so war es. Kurz bevor Washington ein Bürgerrechtsgesetz erließ, tönte der Gouverneur von Alabama noch: "Rassentrennung jetzt, Rassentrennung morgen, Rassentrennung für immer."
Yolanda starb 2007, aber die anderen Kinder von Martin Luther King, Martin, Dexter und Bernice King sind bis heute in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Zu viele Rassisten, egal wo auf der Welt, sind einfach unbelehrbar. Kings Traum ist immer noch ein Traum.
Martin Luther King
Ab und zu braucht es eine [Gewalt-freie] Revolution - auch in demokratischen Laendern.
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