"Männer umschwirrn mich" – Nackter Mann mit Schmetterlingen, aber ohne Sexualpartner
Rosa von Praunheim
Was würden die Großeltern denken?
Die Ausstellung "Jesus liebt!" in der Nürnberger Kulturkirche St. Egidien zeigte Bilder mit Sexszenen schwuler Männer. Nach heftigem Protest wurde sie vorläufig geschlossen. Richtig so, findet chrismon-Redakteur Michael Güthlein. Ein Pro & Contra.
Tim Wegener
27.07.2023

Muskulöse nackte Männer beim Geschlechtsverkehr oder mit erigierten Penissen in der Hand beim Masturbieren. Darunter steht: "Ficken für den Frieden." Ein Gemälde mit Jesus- und Engelsdarstellungen, daneben Darstellungen von Oral- und Analsex. Nicht fotorealistisch explizit, aber doch deutlich genug – das sind einige Bilder, die bis vor kurzem in der Ausstellung "Jesus liebt" in der Nürnberger Kulturkirche St. Egidien zu sehen waren. Nach großem Protest, Hass und Hetze hat die Gemeinde die Ausstellung vorzeitig abgebrochen.

Lesen Sie hier: Warum die Schließung der Ausstellung "Jesus liebt" falsch ist

Niemand hat sie dazu gezwungen. Die Ausstellung ist rechtlich unangreifbar und durch die Kunstfreiheit gedeckt. Trotzdem ist die Entscheidung richtig, die Ausstellung erst mal zu schließen und über ein neues Konzept nachzudenken. Auch wenn in unserer Gesellschaft heute zum Glück viel offener über Sexualität gesprochen und diskutiert wird als noch vor 50 Jahren, so ist das Thema für viele trotzdem nach wie vor mit Scham besetzt. Für etliche, nicht nur ältere Kirchenmitglieder sind Kirchenräume ein "Safe Space", in dem sie gerade nicht mit expliziten sexuellen Darstellungen konfrontiert werden wollen. Dafür kann man Verständnis haben. Wer das abwegig findet, sollte probeweise seine eigenen (gläubigen) Großeltern fragen, was sie davon halten. Viele (bestimmt nicht alle) werden womöglich irritiert reagieren.

"Eine glückliche Familie" – Kritik am traditionellen Familienbild?

Natürlich darf die Kirche Sexualität feiern und Kunst mit pornografischen Motiven arbeiten. Und es ist gut und wichtig, dass viele Kirchen homosexuelle Paare trauen und queere Personen in ihrem Kampf um Anerkennung unterstützen. Auf gar keinen Fall sollte die Kirche homophoben, ausgrenzenden und menschenverachtenden Positionen nachgeben, queerfeindlicher Hass und Hetze gegen die Ausstellung sollten keine Resonanz finden.

Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, in der viele Minderheiten zu Recht einfordern, dass auf ihre Bedürfnisse, Verletzungen und individuellen Gefühle Rücksicht genommen wird. Das sollte auch für die stetig kleiner werdende Gruppe von Menschen gelten, für die Kirchenräume sakrale Orte sind und deren religiöse Gefühle verletzt werden, wenn dort derart freizügige Darstellungen gezeigt werden – auch wenn niemand sie zwingt, sie anzuschauen. Vielleicht würde die Botschaft der Ausstellung, dass Jesus alle so liebt, wie sie sind, auch nur mit den weniger deutlichen Darstellungen funktionieren, die es ebenfalls in der Ausstellung zu sehen gab. Es ist gut, dass sich die Kirche an Kontroversen beteiligt, sie sollte auch mal provozieren – aber muss sie das auf Teufel komm raus?

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.