Alle drei Tage wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht
Alle drei Tage wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht
Pierre Aden /Getty Images/EyeEm
"... weil das Opfer eine Frau ist"
Alle drei Tage wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Gerichte werten nicht jede Tat als Mord. SPD-Rechtspolitiker wollen das ändern. Ein Interview mit dem baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Boris Weirauch.
Tim Wegner
20.04.2023

Was ist ein Femizid?

Boris Weirauch: Ein Femizid ist ein Mord an einer Frau, der dadurch motiviert ist, dass das Opfer eine Frau ist. Alle drei Tage wird eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Diese Taten richten sich gegen die Selbstbestimmung von Frauen und sind geprägt von patriarchalem Besitzdenken.

Die Bundesregierung will die sogenannten Grundsätze der Strafzumessung im Strafgesetzbuch reformieren. Wer eine Tat aus frauenfeindlichen Beweggründen begeht, müsste dann mit einer schärferen Strafe rechnen als bisher. Warum fordern Sie und die Rechtspolitikerinnen und -politiker der SPD aus dem Bundestag und den Landesparlamenten zusätzlich, Femizide grundsätzlich immer als Mord zu werten?

Was die Bundesregierung plant, ist ein Fortschritt, keine Frage. Aber uns stößt die Art und Weise auf, in der in Gesellschaft und Medien über Femizide geredet wird. Oft ist von Eifersuchtsdramen oder Beziehungstaten die Rede, früher auch von Ehrenmorden. Das sind Euphemismen. Ein Femizid ist ein Femizid: Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Wir finden es problematisch, dass Femizide vor Gericht nicht zwingend als Morde abgeurteilt werden.

Boris Weirauch

Boris Weirauch ist SPD-Politiker und Mitglied des Landtages in Baden-Württemberg. Dort ist Weirauch u. a. rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Sondern?

Viele Täter werden nur wegen Totschlags verurteilt. Das hängt vom Einzelfall ab. Manchmal bringen Männer Frauen zu Tode, ohne dass ein Mordmerkmal, etwa Heimtücke oder ein niedriger Beweggrund, erfüllt ist. Dann lautet das Urteil auf Totschlag, und der Täter bekommt anders als beim Mord nicht zwingend eine lebenslange Haftstrafe.

Wenn ein Partner seine Frau aus Eifersucht tötet, liegt kein niedriger Beweggrund vor?

Eifersucht kann juristisch ein niedriger Beweggrund sein - aber nur, wenn die Eifersucht wiederum auf niedrigen Beweggründen beruht. Auch als Jurist sage ich: Das können die Menschen nicht nachvollziehen. Aus meiner Sicht sollte ein Femizid regelmäßig als Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet werden.

Glauben Sie, dass Sie erfolgreich sein werden?

Kein Gericht wird sagen: Nur weil eine Gruppe von Rechtspolitikerinnen und -politikern aus der SPD das so will, urteilen wir jetzt Femizide an Frauen immer als Mord ab. Das ist uns klar. Wir wollten vor allem ein Zeichen setzen und unseren politischen Standpunkt klarmachen, weil es lange an Sensibilität gefehlt hat. Ein Gericht kann sich nicht frei machen von einer gesellschaftlichen Debatte, die klarmacht: Femizide sind absolut inakzeptabel. Wir wollen den Fokus auf dieses Thema lenken.

Gerade aus rechtsextremen Kreisen heißt es, Femizide seien ein importiertes Problem, das mit der Migration aus anderen Kulturkreisen zu uns nach Deutschland komme. Was meinen Sie?

Femizide gab es in unserem Land schon immer. Die Zahlen sind seit 2016 zudem gesunken, was einer solchen These widerspricht. Wenn Männer, die aus anderen Kulturkreisen kommen, Frauen töten, wird darüber berichtet, besonders auch im Boulevard. Das prägt unser Bild. Natürlich kann es sein, dass in bestimmten Kulturkreisen ein problematisches patriarchales Weltbild vorherrscht. Das müssen wir ansprechen und in der Präventionsarbeit noch stärker berücksichtigen. Aber auch in wohlhabenden, urdeutschen Familien werden Frauen misshandelt und erfahren Gewalt, bis hin zum Mord. Darüber wird seltener berichtet. Es führt uns in die Irre, wenn wir Femizide nur in bestimmten Milieus verorten.

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